VII.
Italien.
8. Februar. Der König unterzeichnet ein Dekret über die
Auflösung der Kammern.
Die Neuwahlen werden am 7., die Stichwahlen am 14. März statt-
finden. Das neue Parlament wird am 24. März zusammentreten.
22. Februar. Sendschreiben des Führers der konstitutionellen
Opposition, Sidney Sonnino.
Sonnino unterzieht die gesamte Lage des italienischen Staatswesens
einer ernsten, zum Teil strengen Kritik, gibt aber zu erkennen, daß es
ihm nicht darauf ankommt, das Ministerium Giolitti um jeden Preis zu
bekämpfen, indem er am Schluß „über jede individuelle Leidenschaft, über
jedes Parteistreben und jeden Personenzwist hinaus“ ausschließlich das
vaterländische Empfinden anruft. Denn ihm scheint in den laufenden
Zeiten vor allem die Belebung eines „gesunden und männlichen Nationa-
lismus“ notwendig, und darum betont er auch an erster Stelle die drin-
ende Notwendigkeit einer schleunigen Verstärkung der Wehrkraft und erklärt,
im Gegensatz zu der Opposition der äußersten Linken, daß jedes Bemühen
ur Schwächung des Heeres heutzutage auf Knechtschaft und Demütigung
taliens hinausläuft. Zur auswärtigen Politik sagt Sonnino aus-
drücklich folgendes: Der Dreibund hat während der letzten Jahre fort-
gefahren, wirksam zur Erhaltung des Weltfriedens beizutragen; er bedroht
niemanden und verletzt niemandes Rechte, auch hat er keine von den drei
Mächten je verhindert, die herzlichsten Beziehungen zu andern zu pflegen.
Es ist daher in Jeder Hinsicht wünschenswert, daß es der Diplomatie ge-
linge, so bald wie möglich jeden leisen Zweifel, Argwohn oder Mißver-
ständnis, die zwischen den Verbündeten entstanden sein könnten, zu zer-
streuen, und daß schleunig zwischen der italienischen Regierung und der
des benachbarten Kaiserreichs die Beziehungen von Vertrauen und Herz-
lichkeit wiederhergestellt werden, die die Lösung jeder noch so verwickelten
und schwierigen Frage so sehr erleichtern. In dieser Hinsicht ist es vor allem
nötig, daß wir Italiener uns überzeugen (und je mehr einer von Patrio-
tismus erfüllt ist, desto mehr muß er es sich gegenwärtig halten), daß mit
lärmenden Volksversammlungen und noch mehr mit Kundgebungen vor
den fremden Gesandtschaften nichts als eine Erschwerung der Verteidigung
unserer Interessen im Ausland erreicht wird, indem dadurch überall das
Ansehen des Landes vermindert und es der Gefahr berechtigter, peinlicher
Beschwerden ausgesetzt wird. Die Bündnisse können auf die Dauer nicht
von dem negativen Element allein, von der Furcht vor dem Verbündeten,
zusammengehalten werden. Sie würden nicht aufrichtig sein, wenn sie