Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Aalien. (Juni 12.—23.) 525 
sodann weiter, er könne mit Sicherheit behaupten, daß die verlangten 
Kredite zur Ausführung des bereits bestehenden Arbeitsprogramms aus- 
reichen werden, das man als ein Mindestprogramm gegenüber dem von 
mehrern Rednern dargelegten Höchstprogramm bezeichnen könne, das aber, 
wenn es rasch ausgeführt würde, der Armee und der Landesverteidigung 
eine derartige Wirksamkeit geben werde, die es Italien gestatte, sich in 
dem Konzert der Großmächte zu behaupten, ein Gegenstand nicht nur der 
Achtung, sondern auch der Furcht. Nach Erläuterung des Gesetzentwurfs 
legte der Minister seine Ansichten über die Organisation des Heeres dar 
und kündigte unter anderem an, daß er einen Gesetzentwurf über die 
zweijährige Dienstzeit für alle Waffengattungen einbringen werde. 
12. Juni. Fortsetzung der Beratung über die Erhöhung der 
Militärkredite. 
Auch Ministerpräsident Giolitti erklärte zu der Frage der äußern 
Beziehungen, duß er nur wiederholen könne, was er im letzten Dezember 
gesagt habe, daß nämlich Italien seinen Bündnissen treu und den 
Nationen befreundet bleibe, die Italiens Freunde seien. Italien wolle 
nur eine Politik der Ruhe und des Friedens. (Beifall.) Was die Finanz- 
frage anbetreffe, so überstiegen die geforderten Kredite nicht die im Budget 
gegenwärtig zur Verfügung stehenden Summen. Es sei daher nicht nötig, 
zu neuen Steuern seine Zuflucht zu nehmen, was nicht den festen Willen 
zu größerer Sparsamkeit ausschließe. Der außerordentliche Teil der Vor- 
lage sehe nur die Vervollständigung der Grenzbefestigungen und die Er- 
neuerung des Artilleriematerials vor, Beides entspreche den Bedürfnissen 
der Verteidigung, weil Italien durch sich selbst und nicht durch die Barm- 
herzigkeit anderer leben wolle. (Lebhafter Beifall.) Hierauf wurde der 
von dem Ministerpräsidenten beantragte Uebergang zur Einzelberatung 
der Artikel mit 311 gegen 49 Stimmen angenommen, worauf die Sitzung 
vertagt wurde. 
19. Juni. (Kammer.) Die neue Flottenvorlage, die eine 
auf 6 Jahre zu verteilende Ausgabe von 147 Millionen Lire vor- 
sieht, wird angenommen. 
Es sollen davon zusätzlich des Flottenbauplans von 1905 zwei 
große Schlachtschiffe, zwei Kreuzer und eine Anzahl Torpedoboote gebaut, 
einige vorhandene Schiffe umgestaltet, die Vorräte vervollständigt und ein 
neues großes Dock in Venedig geschaffen werden. 
23. Juni. (Kammer.) Minister Tittoni über auswärtige 
Politik. 
Bei der Budgetberatung des Ministeriums des Auswärtigen bean- 
tragt der Sozialist Morgari eine Tagesordnung, die die Regierung auf- 
fordert, die Initiative zu einer internationalen Konferenz für Schieds- 
gerichte und Abrüstung zu ergreifen, wobei er den Zaren sehr heftig 
angriff. Der Minister des Auswärtigen, Tittoni, antwortete, Morgari 
habe mit der Freiheit des Wortes gesprochen, die in der italienischen 
Kammer nie jemand verwehrt worden sei; aber in einem Teil seiner Rede 
habe Morgari jede Grenze, jedes Herkommen und jedes Maß überschritten. 
In andern Parlamenten seien ähnliche Gedanken entwickelt worden, aber 
niemand habe gegen das Oberhaupt eines befreundeten Staates so schwer 
beleidigende Worte gesprochen wie Morgari. In jenen Parlamenten hätten 
die verantwortlichen Minister pflichtgemäß protestiert. „Ich erfülle meine
	        
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