Italien. (Juni 24. 28.) 527
und von den Freunden als Friedenselement hochgeschätzt wird, nur in
Italien kritisiert wird von Leuten, die sich bemühen, unsern Verbündeten
und unsern Freunden ein Mißtrauen, einen Verdacht und eine Eifersucht
nahezulegen und zuzuschreiben, die sie nicht haben. Dieselbe Erscheinung
zeigte sich bei den Rüstungsausgaben, die das Parlament soeben mit
patriotischer Begeisterung gutgeheißen hat und die, wie ich nie müde ge-
worden bin zu wiederholen, unentbehrlich sind, wenn man bei der gegen-
wärtigen Lage Europas auswärtige Politik machen will. Im Ausland
hat jedermann ihre Bedeutung und Notwendigkeit begriffen, und niemand
hat daran gedacht, daran etwas Kritisches zu finden. Nur in Italien hat
man behauptet, daß sie jemand verletzen können. Nein, im Gegenteil, sie
verletzen niemand, weil sie gegen niemand gerichtet sind, weil die Politik,
die wir verfolgen, eine Politik des Friedens ist und weil wir in dieser
Politik des Friedens fest verharren werden, durchdrungen von der Ueber-
zeugung, daß es die Politik ist, die den wahren Interessen des Landes
am besten entspricht. Gewissen vorübergehenden Kundgebungen der Presse
oder der öffentlichen Meinung, sei es in Italien, sei es im Ausland, darf
man nicht zuviel Wichtigkeit beimessen. Schließlich gibt Tittoni eine be-
stimmte Antwort auf die bestimmte Frage Barzilais über die angebliche
vorzeitige Erneuerung des Dreibundes, indem er sagte: Nicht nur ist der
Dreibund nicht vorzeitig erneuert worden, sondern ich kann in der formellsten
Weise versichern, daß an diese vorzeitige Erneuerung keine der vertrag-
schließenden Parteien jemals gedacht hat oder heute denkt. Es gibt keinen
Grund, die festgesetzte Ablauffrist nicht abzuwarten. Die Vorwegnahme
könnte nur durch Furcht oder durch Zweifel veranlaßt sein. Aber es gibt
nicht nur keine derartigen Stimmungen, sondern die verbündeten Staaten
sind von dem vollkommensten gegenseitigen Vertrauen beseelt. Der Minister
schloß, indem er versicherte, ungeachtet einiger Augenblicke der Bitterkeit,
verursacht durch gewisse feindselige Angriffe, die unter seltsamen Vorwänden
der auswärtigen Politik gegen ihn gerichtet worden seien, habe er immer
das feste Gefühl der Pflicht gehabt, den Blick auf die Interessen des Vater-
landes gerichtet und den Glauben an seine Bestimmung im Herzen getragen.
(Lebhafte Zustimmung.)
24. Juni. Der 50. Jahrestag der Schlacht bei Solferino wird
auf dem Schlachtfelde in Gegenwart des italienischen Königspaares
und einer französischen Delegation festlich begangen.
28. Juni. (Kammer.) Ausweiskarten für italienische Ar-
beiter in Deutschland.
In Beantwortung einer Anfrage des Sozialisten Turati wegen der
kürzlich von der preußischen Regierung erlassenen Verordnung über
Ausweiskarten für italienische Arbeiter erklärt der Minister des
Aeußern Tittoni, der italienische Botschafter in Berlin habe im Auftrage
der italienischen Regierung eine Erklärung überreicht, in der ausdrücklich
eine Verwahrung gegen die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung zum Aus-
druck gebracht worden sei. Tittoni bemerkt dazu, die Verordnung sei nur
in Preußen, Sachsen und einigen kleinern Staaten in Kraft. Die Forde-
rung einer einfachen Ausweiskarte halte er für gesetzmäßig, aber eine
Steuer von zwei Mark für die Ausgabe dieser Karte zu verlangen, sei
nicht gesetzmäßig, und ebenfalls nicht gesetzmäßig sei die Vollziehung der
Ausweisung, die den Arbeitern angedroht sei, die ihren Arbeitsvertrag
brächen. Er wolle damit nicht sagen, daß die bundesstaatlichen Regierungen
in Deutschland nicht das Recht hätten, diese Maßnahme zu ergreifen, sondern