Nubland. (August 10.—September 15.) 571
durch eine Haussuchung bei dem Leiter einer russischen Versicherungsgesell-
schaft Alafusow, der zugleich Inhaber einer der größten russischen Armee-
rüstungsfirmen ist. Aus den weggenommenen Schriftstücken geht hervor,
daß seit Jahren eine regelmäßige Aus zahlung von Bestechungsgeldern nahezu
an sämtliche einflußreichern Beamten der Militärintendantur erfolgte. Be-
sonders schwer sind die Intendanturbezirke Petersburg, Moskau, Kaukasus,
Sibirien und Kasan sowie verschiedene Armee= und Marinebehörden belastet.
10. August. Die kaiserliche Familie kehrt von ihrer Ausland-
reise nach Peterhof zurück.
16. August. Zur kretischen Frage.
uin einem bemerkenswerten Artikel prüft „Golos Prawdi“ die in
der kretischen Frage für die einzelnen Schutzmächte in Betracht kommenden
Interessen und kennzeichnet sie folgendermaßen: „Englands Lage ist äußerst
delikat, da es einerseits nicht den Unwillen der Jungtürken auf sich ziehen
will, anderseits liegt in Anbetracht der strategischen Bedeutung der Insel
eine Festigung der türkischen Herrschaft über die Insel nicht in seinem
Interesse. Der beste Ausweg für England wäre die autonome Verwaltung
Kretas, die gleichbedeutend mit der tatsächlichen Unabhängkeit oder dem
Uebergang in die schwachen Hände Griechenlands wäre. Bei dieser Gelegen-
heit würde sich vielleicht auch ein Vorwand zu der längst ersehnten Be-
setzung der Suda-Bai bieten. Für Frankreich kommt in Anbetracht der
investierten großen Kapitalien hauptsächlich die Erhallung des Friedens in
Erwägung. Daher findet sich ein gewisser Gegensatz zu den Interessen
Englands. Italien sympathisiert mit Griechenland, wünscht aber auch den
Frieden und verhält sich daher passiv. Rußland stand schon früher auf
seiten Griechenlands. Mit Rücksicht auf das neue Regime in der Türkei
hat sich aber die Sachlage geändert, und es ist kein Grund mehr vorhanden,
wegen Kretas sich mit der Türkei zu verfeinden. Daher ist es nach An-
sicht des Blattes das Beste für Rußland, nach dem Beispiel Deutschlands
und Oesterreichs, die rechtzeitig die möglichen Verwickelungen vorausgesehen
haben, die Flöte in dem Konzert der Schutzmächte niederzulegen und sich
das Recht vorzubehalten, sie im geeigneten Augenblicke wieder aufzunehmen.“
7. September. Die kaiserliche Familie reist von Peterhof nach
der Krim.
15. September. Veröffentlichung einer von Kaiser Nikolaus
genehmigten Verfügung des Ministerrats betreffend den Artikel 96
der Grundgesetze.
Ihr zufolge unterliegen der unmittelbaren Sanktion des Kaisers
als des obersten Kriegsherrn alle legislativen Fragen hinsichtlich der Organi-
sation der Land- und Seestreitkräfte, sowie der Landesverteidigung, ferner
die Fragen betreffend die Armee, die Flottenverwaltung, inbegriffen sämt-
liche Verfügungen des Militär- und Marineressorts, falls sie keine neue
Geldforderungen benötigen. Falls neue Kredite notwendig werden, sind
für diese Pauschalsummen auf dem gewöhnlichen legislativen Wege zu er-
bitten, wobei genaue Angaben über die Verwendung erst im Budget ein-
zutragen sind. Auf gewöhnlichem legislativem Wege werden die Gebiete
der besondern Militärgesetzgebung, ausschließlich solcher Fragen erledigt, die
eine Abänderung, Ergänzung oder Abschaffung geltender Gesetze erfordern
oder in den Bereich der legislativen Fragen anderer Ressorts außer den
Militär= und Marineressorts gehören.