46 Das Venuische Reich und seine rimelnen Elieder. (Januar 26. 27.)
die Schweizer Müller auf die Idee gekommen, wir hätten besondere Ver-
gütungen für unser feines Mehl eingeführt, was nicht der Fall ist. Das
wurde bei den verschiedenen Verhandlungen, die mit der Schweiz in den
letzten Jahren stattgefunden haben, jedesmal wieder festgestellt. Unsere
Steigerung der Mehlausfuhr ist im wesentlichen zurückzuführen auf ein
unrichtiges Verfahren des Schwei##er Müllersyndikats. Wenn wirklich eine
besondere Ausfuhrvergütung bestände, so würden doch sicher mehr als zwei
Prozent unserer Produktion ausgeführt werden. Wir sind bereit, die Ent-
scheidung über diese Angelegenheit einem Schiedsgerichtsverfahren
zu unterwerfen. Es handelt sich dabei um zwei Fragen: erstens, ob die
Schweiz, selbst wenn wir eine besondere Ausfuhrprämie zahlen, überhaupt
berechtigt ist, ihrerseits Zuschlagszölle zu erheben. Das ist die Rechtsfrage,
die von uns als nicht gegeben bestritten wird. Und dann erst können wir
darüber aburteilen lassen, ob unser Verfahren tatsächlich ein solches ist,
daß man behaupten kann, von uns würden Ausfuhrprämien gezahlt.
Januar. Ueber die Verbreitung der Polen in den ver-
schiedenen Teilen Preußens gibt die Zeitschrift des Königl.
preußischen Statistischen Landesamts zahlenmäßige Ausfschlüsse.
Darnach betrug die Zahl der Polen (einschl. Masuren und Kassuben):
in Preußen in den vier östlichen in den übrigen
überhaupt Provinzen Provinzen
überhaupt v. H. überhaupt v. H.
1890 2922475 2821825 96,56 100650 3644
1900 3305749 3081832 93,23 223917 6.77
1905 3646446 3299233 90,48 347213 9,52
Die Zuwanderung von Polen in das rheinisch--westfälische Industrie-Gebiet
hat bewirkt, daß sie bereits in 67 Gemeinden des westlichen Preußens die
Mehrheit und in 414 Gemeinden mehr als 25 % ausmachen. Die große
Masse 98,6 v. H. sind reine Lohnarbeiter, die größtenteils im Bergbau
Beschäftigung finden.
26. Januar. Abgeordneter Noske.
In der Budgetkommission kommt zur Sprache, daß der Inhalt der
vertraulichen Mitteilungen über die auswärtige Lage, die der Staats-
sekretär v. Schoen am 22. Januar gemacht hatte, trotz des Beschlusses der
Kommission, alles geheim zu halten, in einem Telegramm der Wiener
„Neuen freien Presse“ bekannt gemacht worden sei. Als der Schuldige
bekannte sich der revisionistische sozialdemokratische Abgeordnete Noske, der
der Kommission nicht angehörte, aber häufig zugegen war und sich Notizen
machte. Da die Sozialdemokraten in früheren Fällen die Diskretion pein-
lich gewahrt haben, so wird ihm im „Vorwärts"“ ein schwerer Vorwurf
gemacht. Die Kommission sah den Vorfall mit der Entschuldigung des
Abgeordneten Noske für erledigt an.
27. Januar. Kaiser Wilhelms 50. Geburtstag brachte
eine große Menge besonderer Ehrungen.
Aufsehen erregt in der Presse ein Buch des früheren Heraus-
gebers des „Deutschen“, Adolf Stein, unter dem Titel „Wilhelm II.“.
Der ausgesprochene Zweck des hochkonservativen Verfassers ist, eine
Reihe von Angriffen, die in der Zeit des Kampfs um das persönliche
Regiment gegen den Kaiser gerichtet wurden, auf das richtige Maß zurück-
zuführen, indem er nachzuweisen. versucht, daß viele dieser Anschuldigungen