Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Grichhenland. (August 28.—September 1.) 625 
Die von Griechenland ergriffenen Maßnahmen bildeten einen Beweis für 
seinen festen Entschluß, von dieser Verhaltungslinie nicht abzuweichen. 
Was Kreta betreffe, so werde die Pforte zugeben, daß sie in ihren vorher- 
gehenden Erklärungen weit davon entfernt gewesen sei, die frühere Hal- 
tung Griechenlands als nicht vorwurfsfrei zu betrachten, und daß sie 
wiederholt selbst die vollständige Korrektheit Griechenlands betont habe. 
Nichtsdestoweniger ergreife Griechenland die Gelegenheit, um neuerdings 
zu erklären, daß es sich in allen Punkten den Beschlüssen der kretischen 
Schutzmächte anpassen werde, indem es davon abstehe, eine etwaige Be- 
wegung auf der Insel zu ermutigen. 
28. August. Offizierskorps gegen Ministerium. 
Einer Abordnung von Offizieren des Heeres und der Flotte, die 
dem Ministerpräsidenten eine Zusammenstellung von Beschwerden über- 
reichen will, wird der Empfang verweigert, weil die Abordnung aus be- 
straften Offizieren bestände und die Art der beabsichtigten Ueberreichung 
der Beschwerdeschrift gegen die Vorschriften verstoße. Die Offiziere der 
Garnison tun sich infolgedessen zusammen und wollen, wie es heißt, morgen 
eine militärische Kundgebung veranstalten. Der Ministerrat tritt zusammen, 
um über die Lage zu beraten. 
28. August. Das Ministerium Rhallis tritt zurück. 
Viele Offiziere und Unteroffiziere lagern sich mit einem Teil der 
Garnison außerhalb Athens. 
29. August. Die Politik des neuen Kabinetts. Die 
„Agence d'Athenes“ veröffentlicht folgende Mitteilung: 
Nachdem der Ministerpräsident Rhallis infolge der Vorgänge bei der 
Bewegung im Heer, die zu der Versammlung der Garnison auf dem Felde 
von Gudi führte, zurückgetreten war, wurde Herr Mawromichalis vom Könige 
mit der Neubildung des Kabinetts betraut, um die innerpolitische Lage zu 
regeln und die öffentliche Ordnung zu sichern, die übrigens dank der Hal- 
tung der Truppen sowie der Bevölkerung in keiner Weise gestört war. Das 
neue Ministerium wird in seiner auswärtigen Politik von den aufrichtigen 
und unwandelbaren Gefühlen der Versöhnlichkeit und des Friedens getragen 
sein und wird seine korrekte und loyale Haltung und seine Zugänglichkeit 
gegenüber den Ratschlägen der Großmächte, wie sie Griechenland eben erst 
annahm, bewahren. Dem Verlangen der öffentlichen Meinung nach Re- 
formen im Innern wird das Ministerium nachkommen und der Kammer 
Gesetzentwürfe über Reformen der Verwaltung und der Staatswirtschaft 
vorlegen, die es dem Lande ermöglichen werden, sich in Ruhe und Ord- 
nung regelmäßig zu entwickeln und seine Hilfsquellen wirksam auszunutzen. 
Nachdem die Amnestie für diejenigen Soldaten, die in der Nacht zum 
28. August auf dem Felde von Gudi versammelt waren, verkündigt worden 
war, kehrten sie in aller Ruhe ohne jeden Zwischenfall in ihre Kasernen 
zurück. Die eine Zeitlang lebhaft erregte öffentliche Meinung hat sich nun 
beruhigt, und man erwartet jetzt mit Zuversicht den Zusammentritt der 
Kammer, die sich dem Reformwerk im Innern mit jenem Geiste der Ein- 
tracht und Mäßigung zu widmen verheißt, der heute alle Klassen der Be- 
völkerung ohne Nüasio#n der Partei beseelt. 
1. September. Kronprinz Konstantin und Prinz Nikolaus 
beantragen ihre Stellung zur Dispofition. Die Prinzen Andreas 
und Christoph haben um einen längeren Urlaub nachgesucht. 
Europäischer Geschichtskalender. I. 40
	        
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