50 Das Venutsche Reich und seine einelnen GSlieder. (Februar 3.)
Reichsfinanzreform die wirtschaftlich durchaus notwendige Scheidung zwischen
den Finanzen des Reichs und der Bundesstaaten herbeizuführen, oder wenn
die direkt oder indirekt in Form von Matrikularbeiträgen dem Vermögen
aufgebürdeten neuen Lasten eine Verteilung bringen werden, die durchaus
nicht in der sorgsamen Weise, wie es die von der Regierung vorgeschlagene
Nachlaßsteuer beabsichtigt, vorweg die stärkern Schultern unter besonderer
Schonung des Grundvermögens treffen wird.
3. Februar. Erklärung des Staatssekretärs Freiherrn Zorn
von Bulach über seine Politik in den Reichslanden.
Im Landesausschuß Elsaß-Lothringen bekannte sich der Staats-
sekretär Freiherr Zorn von Bulach als den Urheber des Verbots einer
Reihe französischer Theatervorstellungen, die der Herausgeber der „Revue
Alsacienne Illustrée“ beabsichtigt hatte. Er erklärte, daß er als geborener
Elsässer von dem ihm angedichteten Eifer einer „Germanisation“ der Be-
völkerung völlig frei sei. Er werde nie die französische Sprache verfolgen,
aber sein Wahlspruch sei: „Elsaß-Lothringen den guten Elsaß-
Lothringern, den Elsaß-Lothringern, die wie ich selbst treu
zum Kaiser und dem Reiche stehen.“ Hätte er einen anderen Wahl-
spruch, so wäre er ein schlechter Beamter. Im übrigen habe er gar keinen
neuen Kurs angegeben, was um so weniger notwendig gewesen wäre, als
der alte Kurs ja gar nicht schlecht gewesen sei. Endlich wisse man aber
doch auch, daß der Staatssekretär nicht den Kurs bestimme. Das Verbot
der französischen Theaterstücke sei gerechtfertigt gewesen. Freiherr Zorn
von Bulach schloß unter dem lebhaften Beifall des Hauses, als er es auf-
forderte, ihn in seinen Bestrebungen zu unterstützen.
3. Februar. (Friedrichshafen.) Das Kriegsministerium
übernimmt das Reichsflugschiff „Zeppelin 1“ und die Reichshalle
für das Deutsche Reich.
3. Februar. Der kaiserliche Statthalter in Elsaß-Lothringen
über sein Programm.
Beim parlamentarischen Festmahle für die Mitglieder des Landes-
ausschusses gab der kaiserliche Statthalter Graf von Wedel einige pro-
grammatische Erklärungen. Er selbst sei unablässig bemüht gewesen, für
den Ausbau der Verhältnisse im Sinne einer größern Selbständigkeit des
Landes einzutreten und er habe dafür an allen maßgebenden Stellen des
Reiches volles Verständnis und wahrhaftes Entgegenkommen gefunden.
Aber die Politik sei eben eine Reihe von Kompromissen, die die Gegen-
sätze und die Unstimmigkeiten ausgleichen sollten. Eine Aenderung der
leseund Verhältnisse lasse sich natürlich nur schrittweise vollziehen. Der
von einer Seite vertretene Standpunkt: „Alles oder gar nichts!“ werde
mit Sicherheit die Antwort finden: „Dann gar nichts!", entsprechend dem
bekannten Worte: „Tu l’'as voulu, Georges Dandin, tu I’as voulu!“ Ein
solcher Ausgang wäre im Interesse des Landes tief zu bedauern, aber der
Statthalter würde den Mut nicht verlieren. Den berechtigten Wünschen
komme er freudig entgegen, aber für eine Politik des „laissez faire, laissez
passer!“ sei er niemals zu haben, denn Schwäche sei in der Politik ein
großer, oft nicht wieder gut zu machender Fehler, die Beiseitesetzung des
nationalen Gedankens aber ein schweres Vergehen am Vaterlande. Er
habe offen und ehrlich nur die Wohlfahrt und die Entwickelung des Landes
im Auge und sei ein Feind jeder kleinlichen Schikane wie eines schema-