Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Uebersicht 
über die politische Eutwickelung des Jahres 1909. 
Die beiden Hauptfragen der hohen Politik waren am Anfang 
des Jahres noch immer die marokkanische und die Balkan- 
frage. Aber in beiden trat während der ersten vier Monate durch 
bedeutsame Staatsverträge eine Entspannung ein, die in ganz 
Europa eine seit 1905 in solcher Stärke nicht dagewesene Friedens- 
zuversicht schuf. 
Durch das Berliner Abkommen vom 9. Februar (S. 57) er- 
kannte Deutschland „die besonderen politischen Interefsen“ Frank- 
reichs in Marokko an und entsagte der 1905 ergriffenen Politik, 
durch diplomatische Interventionsakte die Unabhängigkeit und Inte- 
grität des scherifischen Reiches zu schützen. Dafür gestand die fran- 
zöfische Regierung nichts zu als das Versprechen, die wirtschaftliche 
Gleichberechtigung in Marokko zu erhalten und das Zusammen- 
arbeiten der deutschen und französischen kaufmännischen und indu- 
striellen Unternehmer zu fördern. Erleichtert wurde der deutschen 
Politik diese Einschränkung ihrer politischen Wirkungssphäre in 
Marokko zugunsten franzöfischer Bewegungsfreiheit durch die un- 
mittelbar vorausgegangene Anerkennung des Sultans Mulay Hafid 
seitens aller Signatarmächte der Algeciraskonferenz. Aber es sollte 
sich im Laufe des Jahres noch zeigen, daß die Erfolge deutscher 
Unternehmer durch die Rücksichten gehemmt wurden, die Deutsch- 
land in der veränderten Situation auf die „wirtschaftliche Gleich- 
heit“ aller Interefsenten zu nehmen sich verpflichtet fühlte. Während 
die beiden Regierungen sich gegenseitig die vollkommenste Loyalität 
in den weiteren Bemühungen des Ausgleichs ihrer Interessen be- 
zeugten (S. 846 und 516), knüpften sich in der deutschen Prefse und 
im Reichstag an die Beschwerden der Gebrüder Mannesmann
	        
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