Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Des Venische Reich und seine eintelnen GElieder. (Februar Mitte.) 65 
Reichskanzler versichert, daß die britische Regierung das deutsch-französische 
Marokko-Abkommen uneingeschränkt und herzlich billige, das als ein solches 
begrüßt werde, welches dahin ziele, ein gutes Einvernehmen zwischen Frank- 
reich und Deutschland zu pflegen und dadurch auch einen wesentlichen 
Einfluß auf die Festigung freundlicher Beziehungen zwischen England 
und Deutschland auszuüben. Es wurde erklärt, daß die Bestrebungen der 
britischen auswärtigen Politik im nahen Osten auf Wahrung des Friedens 
und auf Aufrechterhaltung des status quo gerichtet seien. In englischen 
amtlichen Kreisen wird die von dem Reichskanzler in seiner Besprechung 
mit Sir Charles Hardinge gegebene Erklärung, daß darin wie in der 
Unterstützung der neuen Ordnung der Dinge in der Türkei die britische 
und deutsche Regierung vollständig im Einvernehmen sind, willkommen 
eheißen. Die politischen Besprechungen, die während des Besuchs des 
Könies stattfanden, gipfelten in einer allgemeinen und völlig befriedigenden 
Erörterung der Politik beider Länder. 
Mitte Februar. Deutsch-schweizerischer Mehlkonflikt. 
Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung erwidert auf eine 
Erklärung, die Nationalrat Alfred Frey, schweizerischer Unterhändler bei 
den deutsch-schweizerischen Handelsvertragsverhandlungen, gegenüber den 
Darlegungen des Staatssekretärs des Auswärtigen in der Budgetkommission 
des Reichstags gemacht hat. Herr v. Schoen hatte dabei unter anderm 
gesagt: „Nachdem die schweizerischen Unterhändler bei den Verhandlungen 
über den deutsch-schweizerischen Handelsvertrag anerkannt hatten, daß das 
System unserer Einfuhrscheinordnung keine Prämien für Weizenmehl erster 
Ausbeuteklasse in sich schließt, ist die Schweiz infolge der Klagen schweize- 
rischer Müller und der Zunahme der deutschen Mehleinfuhr im Sommer 
1907 und im Frühjahr 1908 auf die Angelegenheit zurückgekommen.“ 
Hierzu erklärt Herr Frey: „Dieser Satz ist in seinem Anfang so 
überaus gewagt, daß ich gegen ihn in aller Form Einspruch erhebe. Er 
bietet ein Stück Wahrheit, vorenthält aber das Wichtigere. Es ist unbe- 
stritten, daß im Jahre 1903 von schweizerischer Seite einmal zugegeben 
wurde, im deutschen System der Rückvergütung des Weizenzolles liege keine 
Exportprämie; allein die beiderseitig genehmigten Vertragsprotokolle be- 
weisen ebenfalls, daß diese Ansicht im Verlauf der späteren Verhandlungen 
im Jahre 1904 nachdrücklich widerrufen und im Gegenteil daran fest- 
gehalten worden ist, Deutschland richte eine Ausfuhrprämie aus. Das 
hätte billigerweise beigefügt werden sollen, wenn die Bezugnahme auf die 
Vertragsverhandlungen überhaupt als notwendig erachtet wurde.“ 
Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung geht zur Erwiderung 
auf die Geschichte der deutsch schweizerischen Handelsvertragsverhandlungen 
ein und folgert aus dem urkundlichen Material: 1. Die Schweizer Unter- 
händler hatten das gesamte zur Prüfung der Frage erforderliche Material 
von den deutschen Unterhändlern erhalten. 2. Die Schweizer Unterhändler 
haben nach Prüfung der Frage erklärt, daß Deutschland keine Prämie bei 
der Ausfuhr von Weizenmehl gewähre. 3. Die Schweizer Unterhändler 
haben erklärt, daß der Mehlzoll, der früher vertraglich 2 Frcs. betragen 
hatte, zwar nicht wegen einer deutschen Prämie, wohl aber wegen der 
von anderen Staaten gewährten Prämien im Interesse der Schweizer 
Müllerei auf 2,50 Frcs. gehalten werden müsse. 4. Die Schweizer Unter- 
händler waren, nachdem sie die Nichtexistenz einer deutschen Prämie an- 
erkannt hatten, zur Bindung des Mehlzolles bereit. 5. In zweiter Lesung 
ist keine „nachdrückliche“ Zurücknahme der in erster Lesung abgegebenen 
Erklärung der Schweizer Unterhändler erfolgt, sondern diese sind lediglich 
Europäischer Geschichtzk######. L. 5
	        
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