Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Das Dentsche Reit und seine einzeluen Glieder. (Februar 23.—25.) 75 
Darüber, daß seine territorialen Ansprüche ganz unhaltbar sind, dürften 
wohl alle Mächte einig sein, und wenn das in Belgrad mit der Autorität, 
die einem gemeinsamen Schritte der Mächte innewohnt, klar gemacht würde, 
so würden die Serben von selbst auf den für sie vorteilhaftesten Weg ge- 
wiesen werden. Von Wiener Seite ist wiederholt erklärt worden, daß man 
bereit sei, den Serben gewisse wirtschaftliche Vorteile einzuräumen, und 
diese Absicht besteht, wie man annehmen darf, auch heute noch. Wenn 
Serbien über die Natur dieser Vorteile unter Verzicht auf unerfüllbare 
Ansprüche mit Oesterreich-Ungarn verhandeln will, so dürfte es wahr- 
scheinlich heute noch Entgegenkommen finden und wirkliche Vorteile er- 
werben. Ob Oesterreich-Ungarn auch später noch zu deren Gewährung 
sich bereit finden wird, ist zum mindesten unsicher, und es könnte sehr 
wohl den Serben widerfahren, daß sie beim Ausblick auf unerreichbare 
Tauben des Sperlings verlustig gehen, den sie heute noch fassen können.“" 
23. Februar. Der Lord Mayor von London ladet den Ber- 
liner Magistrat zum Besuch der City ein. 
24. Februgr. Zur Reichsfinanzreform. 
Fast sämtliche Finanzminister der deutschen Bundesstaaten hatten 
mit dem Staatssekretär Sydow in der bayerischen Gesundtschaft zu Berlin 
eine mehrstündige Besprechung, in der an der Nachlaßsteuer fesgehalten 
und eine Reichseinkommen- oder Reichsvermögenssteuer abgelehnt wurde. 
24. Februar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) 
Der Minister des Innern v. Moltke spricht über die Hoch- 
wasserkatastrophen und Ueberschwemmungen in der Altmark und 
zwischen Rhein und Elbe. Die großen Schäden erklären sich daher, daß 
auf einen starken Frost und einen unmittelbar darauffolgenden heftigen 
Schneefall, der den Boden 25—30 cm hoch bedeckte, plötzlich im Januar 
eine hohe Temperatur einsetzte und durch die Schneeschmelze eine Hochflut 
erzeugte. Dadurch wurden Aecker und Wiesen mit Steingeröll bedeckt und 
vielfach der Mutterboden weggeschwemmt. Im Deichbruchgebiete der Elbe 
allein sind 40000 ha von der Katastrophe betroffen worden. 
25. Februar. In der Plenarsitzung des Bundesrats wird 
der Entwurf über die Erhebung von Schiffahrtsabgaben den 
zuständigen Ausschüssen überwiesen. 
Der „deutsche Hilfsverein" in Mailand, der „deutsche 
Schulverein" in Brüssel und die Kolonialgesellschaft „Diamanten- 
regie“ des südwestafrikanischen Schutzgebietes erhalten die Rechtsfähigkeit. 
25. Februar. Zur Reichsfinanzreform. 
Großes Aufsehen erregt die Erklärung des Schatzsekretärs Sydow, 
daß die Reichsregierung, die früher jeden Versuch „veredelter“" Matrikular- 
beiträge abgewiesen hatte, den von der Subkommission abgelehnten, im 
wesentlichen von dem Zentrumsvertreter Herold auf Grundlage des Ent- 
wurfes des Abg. Gamp (Rp.) ausgearbeiteten Antrag einer „Besitzsteuer“ 
nicht ohne weiteres ablehne. Die von der Reichspartei und dem Zentrum 
gemachten Vorschläge enthalten die folgenden gemeinsamen Grundlinien: 
Vom 1. Januar 1911 ab tritt ein Gesetz in Kraft, durch welches nach 
reichsgesetzlich vorgeschriebenen Grundsätzen eine Besteuerung des Besitzes 
erzielt wird. Die Ausführung soll den Einzelstaaten überlassen bleiben 
mit der Maßgabe, daß im Gesetz der Höchstbetrag von 150 Millionen fest- 
gesetzt und die zu erhebende Quote alljährlich durch den Reichshaushalt-
	        
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