Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Das Denisqe Reit und seine einjelnen Glieder. (Februar 6.) 107 
die die Vereinigten Staaten einem dritten Land gewähren können, wofür 
Deutschland als Gegenleistung den Vereinigten Staaten den weitaus größten 
Teil der Konventionalsätze seiner Handelsverträge einräumt. Der neue 
amerikanische Zolltarif enthält nun aber für die deutsche Ausfuhr viele 
Erschwerungen, und von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind die 
Schwierigkeiten, die uns auf dem Gebiet der Zollabfertigung gemacht worden 
waren. Weiter enthält das neue amerikanische Tarifgesetz keine Bestimmung 
mehr, auf Grund deren die Vereinigten Staaten einem anderen Lande be- 
sondere Zolltarifzugeständnisse gewähren können. Handelspolitische Verein- 
barungen können also mit den Vereinigten Staaten nur noch in der Weise 
zustande kommen, daß die Vereinigten Staaten autonom bestimmte An- 
ordnungen erlassen, die der andere Teil für hinreichend erachtet, um Amerika 
die Meistbegünstigung einzuräumen. Diese Handelsbeziehungen erfahren 
eine Stabilität insofern, als die Botschaft des Präsidenten der Vereinigten 
Staaten, durch welche der Minimaltarif gewährt wird, den Charakter eines 
Gesetzes enthält. Die Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten waren 
sehr langwierig und sind erst vorgestern morgen endgültig abgeschlossen 
worden. Im Laufe der Verhandlungen haben die Vereinigten Staaten 
an uns Anforderungen gestellt, die einen starken Eingriff in unsere gesetz- 
geberische und polizeiliche Autonomie gewesen wären. Vor allem waren 
es Eingriffe auf dem Gebiet der Veterinärpolizei. Wir haben den Ver- 
einigten Staaten gegenüber darüber keinen Zweifel gelassen, daß wir der- 
artigen Versuchen, aus Anlaß von Tarifverhandlungen in unsere gesetz- 
geberische und polizeiliche Autonomie irgendwie einzugreifen, einen un- 
überwindlichen Widerstand entgegensetzen würden. Es gelang uns im Laufe 
der Verhandlungen, eine ganze Reihe dieser Forderungen auszuschalten, und es 
blieben schließlich nur übrig die Forderungen auf Gewährung aller deutschen 
Vertragszollsätze, auf Zulassung von amerikanischem Schweinefleisch ohne 
Beibringung der gegenwärtig noch verlangten Bescheinigung über erfolgte 
mikrosfkopische Trichinenuntersuchung in den Vereinigten Staaten und auf 
Zulassung von amerikanischem Rindvieh zur sofortigen Schlachtung. Der 
Staatssekretär führte weiter aus: Wir haben den Vertrag auch unsererseits 
auf einer veränderten Grundlage aufgebaut. Danach wird der Bundesrat 
ermächtigt, bei der Einfuhr von Erzeungnissen der Vereinigten Staaten 
die Anwendung der Konventionalsätze in angemessenem Umfang zuzulassen. 
Diese Ermächtigung hört ohne weiteres auf, sobald die Vereinigten Staaten 
irgendwie gegenüber dem gegenwärtigen Zustand zuungunsten Deutschlands 
Aenderungen eintreten lassen oder nicht nach den in der Note des Staats- 
departements in Washington vom 22. April bis 2. Mai 1907 enthaltenen 
Grundsätzen über die Zolldeklaration und die Fakturen sowie die Wert- 
zeugnisse der deutschen Handelskammern verfahren. Die Konstruktion des 
Gesetzentwurfes ist also so, daß wir uns bemüht haben, die Vollmacht ähn- 
lich zu gestalten, wie die des Präsidenten nach dem amerikanischen Gesetz. 
Nun hoffe und glaube ich nicht, daß wir genötigt sein werden, von dieser 
Befugnis Gebrauch zu machen. Ich gebe mich der bestimmten Hoffnung 
hin, daß, nachdem wir in langwierigen und schwierigen Verhandlungen 
einig geworden sind, die Vereinigten Staaten die uns gemachten Zugeständ- 
nisse im Geiste der Versöhnlichkeit und des weitherzigen Entgegenkommens 
handhaben werden. Es sind gewiß nicht alle Wünsche erfüllt, die wir im 
Interesse unserer Volkswirtschaft glaubten stellen zu können, und die Her- 
gabe unseres vollen Konventionaltarifs ist gegenüber den amerikanischen 
Angeboten für die Amerikaner ein Vorteil. Aber die verbündeten Re- 
gierungen haben nach langen eingehenden Erwägungen geglaubt, dieses 
Abkommen schließen zu sollen, um für unsere Schiffahrt, unseren Handel
	        
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