Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Das Dentsche Reich und seine rintelnen Glieder. (Februar 9. 10.) 109 
9. Februar. (Halle.) Urteil im Mansfelder Aufruhrprozeß. 
Das Schwurgericht verurteilt den Bergmann Ernst Gölzer wegen 
Vergehens gegen § 153 der Reichsgewerbeordnung zu 3 Monaten, den 
Bergmann hon Sichting wegen desselben Vergehens und Körperverletzung 
in 2 Fällen zu 5 Monaten Gefängnis. Der Bergarbeiter Karl Otte wird 
freigesprochen. 
9. Februar. (Reichstag.) Der Verkauf des Tempelhofer 
Feldes vor der Budgetkommission. 
Der Bericht sagt darüber: Auf Anfrage erklärte dabei der Kriegs- 
minister, er hoffe, die Mittel für die noch fehlenden Truppenübungsplätze 
aus dem Verkauf des Tempelhofer Feldes zu erhalten. Die Militär- 
verwaltung erklärte, eine Vorlage sei in Vorbereitung, die Verhandlungen 
seien aber noch nicht abgeschlossen. Ein sozialdemokratischer Vertreter von 
Berlin bemerkt hierzu: Im vorigen Jahre sollte die Möglichkeit für Vor- 
beratungen gegeben werden. Man müsse darauf halten, daß die Ver- 
waltung nicht ohne Genehmigung des Reichstages Verträge abschließe. Das 
könne sie vielleicht hinsichtlich des im vorigen Jahre bewilligten Betrages, 
aber nicht darüber hinaus. Es scheine, als wolle man den Reichstag einem 
Fait accompli gegenüberstellen. Das Tempelhofer Feld könne nur an die 
Stadt Berlin verkauft werden, nicht an eine andere Gemeinde. Natürlich 
müsse es dann eingemeindet werden, denn Berlin könne nicht Terrain 
kaufen, von dem dann Tempelhof den Nutzen habe. Von der Militär- 
verwaltung wird hierauf erwidert, ohne Genehmigung der gesetzgebenden 
Körperschaften werde nichts verkauft. Ein Zentrumsabgeordneter führt 
aus: So komme man nicht verwärts. Berlin könne das so nicht nehmen, 
Tempelhof auch nicht. Es scheinen Terraingesellschaften am Werke zu sein. 
Man solle für die Jugend sorgen durch Bereitstellung von Spielplätzen. 
Das liege auch im Interesse des Militärfiskus, der nur noch 19 v. H. 
Wehrpflichtige der zweiten Generation in Berlin finde. Wenn man mit 
Berlin nicht zu Ende komme, so könne man auch den Zossener Uebungs- 
platz nicht bewilligen. Das sozialdemokratische Kommissionsmitglied aus 
Berlin empfiehlt, mit den Gemeinden Berlin und Tempelhof in Verbindung 
zu treten. Berlin könne ganz Tempelhof eingemeinden, das sei ein Weg. 
Tempelhof allein könne die Sache doch nicht machen Jetzt plane man 
schon eine Untergrundbahn, das zeige, daß die Tempelhofer der Sache 
nicht gewachsen seien. Das Aufmarschterrain will Berlin zur Vergrößerung 
des Viktoriaparkes ankaufen. Der Kriegsminister erklärt, die Gesichts- 
punkte des Vorredners kämen für die Militärverwaltung nicht in Betracht. 
Er könne nicht in den Streit der Gemeinden eingreifen. Wolle man bald 
verkaufen, so müsse man andere Wege gehen. Das Reich hier vorzuspannen, 
gehe nicht an. Ein freisinniges Mitglied meint, das allgemeine Interesse 
komme hier auch in Frage. Es gefalle ihm nicht, daß der Kriegsminister 
sage: Wer am meisten gibt, bekommt den Platz. Man müsse hier die 
Grundstücksspekulanten ausschalten. Der Zentrumsredner hält es für not- 
wendig, an Berlin zu verkaufen, wenn es ebensoviel biete wie der in 
Bildung begriffene Konzern. Er beantragt eine Resolution dahin. Diese 
Resolution wird angenommen. 
10. Februar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Erste 
Lesung des Gesetzentwurfs zur Abänderung der Vorschriften über 
die Wahlen zum Hause der Abgeordneten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.