Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Maes Veesche Reich uand seine einfeluen Glieder. (Februar 24. 25.) 149 
unter Eindrücken erfolgt, die sachlich befriedigend wie persönlich angenehm 
sind. Dies mag für gewisse ausländische Kririker gesagt sein, die vor der 
Ankunft des Grafen v. Aehrenthal in Berlin bemüht waren, einen frostigen 
Berlauf seines Besuches vorauszusagen, und die es vielleicht auch künftig 
für eine besondere diplomatische Kunst halten werden, Berlin und Wien 
gegeneinander mißtrauisch zu machen. Man ist nicht müde geworden, aus- 
zustreuen, Deutschland blicke mit scheelen Augen auf die sich vorbereitende 
Annäherung zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland. In Wirklichkeit 
lag kein Grund vor, uns wegen diplomatischer Unterhandlungen zu be- 
unruhigen, über deren Zweck und Inhalt wir von beiden Seiten fort- 
laufend unterrichtet werden. Wir haben zuviel Achtung vor der Selbst- 
ständigkeit der österreichisch-ungarischen wie der russischen Politik, um Winke 
für die fernere Gestaltung des Verhältnisses zwischen den beiden Kaiser- 
reichen zu erteilen oder Versuche zur Herstellung eines Einvernehmens mit 
gönnerhaften Lobsprüchen zu begleiten. Aber wir brauchen nicht zu ver- 
schweigen, daß auch wir Interesse nehmen an dem Schwinden einer Ent- 
fremdung, die in Wien wie in St. Petersburg als abnorm und als störend 
empfunden wird. Zwischen zwei Großmächten, von denen eine uns fest 
verbündet, die andere durch keinen naturnotwendigen Gegensatz in großen 
Fragen von uns getrennt ist, gibt es für Deutschland nicht die Rolle des 
Tertius gaudens, die übrigens bei der zunehmenden Verflechtung der 
Interessen für keine Großmacht zeitgemäß ist. Der Ausblick auf die 
politische Gesamtlage erscheint nicht unbefriedigend. Das Vertrauen in die 
Fortdauer einer überwiegend günstigen Entwicklung gründet sich aber 
darauf, daß im Verkehr der Mächte gutwillige Stimmung und europäischer 
Geist gepflegt und gestärkt werden. Wir sind gewiß, daß hierzu die Be- 
sprechungen der Dreibundstaatsmänner, jetzt in Berlin und später in Rom, 
das ihrige beitragen.“ 
24. Februar. (Oldenburg.) Die Regierung zieht ihre Ge- 
haltsvorlage für Beamte und Lehrer zurück, 
weil der Landtag die Vereinfachung der Staatsverwaltung zur Be- 
dingung der Annahme gemacht hatte. 
24. Februar. (Potsdam.) Der Dichter und Schriftsteller 
Dagobert von Gerhardt („Gerhardt von Amyntor“") 1. 79 Jahre alt. 
25. Februar. (Hessen.) Finanzminister Gnauth nimmt seine 
Entlassung, 
weil der Finanzausschuß beider Kammern das von ihm vorgelegte 
Amortisationsgesetz, das die Staatsschuld mit jährlich ⅜8 Prozent in 
56 Jahren üulgen soll, ablehnte. 
25. Februar. (Bayern.) Derösterreichisch-ungarische Minister 
des Außeren Graf v. Ahrenthal wird vom Prinzregenten in München 
in Audienz empfangen. 
25. Februar. (Reichstag) Staatssekretär Delbrück kündigt 
an, daß im Sommer 1910 eine internationale Konferenz zur über- 
wachung und Bekämpfung der Schmutzliteratur in Paris abgehalten 
werden soll. 
25. Februar. (Sachsen -Meiningen.) Mit 17 gegen 7 
Stimmen wird der sozialdemokratische Antrag angenommen, den
	        
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