8 Das PDenisqhhe Reich und seine einjeluen Glieder. (Januar 11.)
der geltenden preußischen Gemeindeverfassungsgesetze, die Gemeindeordnung
für die Rheinprovinz vom 23. Juli 1845, vermag nicht mehr allen An—
forderungen gerecht zu werden, welche die bedeutsame Entwickelung dieser
Provinz an die Gemeindeorganisation stellt. Eine Novelle will dieses Ge-
setz den Aufgaben der Gegenwart anpassen. Während die Reichsgesetz-
gebung eine doppelte Heranziehung zu den direkten Steuern innerhalb des
Reiches verhütet, fehlt es bisher für die direkte Kommunalbesteuerung an
einem ähnlichen Schutze. Ein Gesetzentwurf soll die Möglichkeit schaffen,
kommunalen Doppelbesteuerungen innerhalb der einzelnen Bundesstaaten
im Verwaltungswege entgegenzutreten. — Um die als notwendig erkannte
Reform der inneren Verwaltung zu fördern, habe ich im Juni des ver-
gangenen Jahres eine besondere Immediatkommission sachverständiger und
erfahrener Männer aus den verschiedensten Kreisen berufen, die unter dem
Vorsitze des Ministers des Innern ihre Arbeit alsbald begonnen hat.
Ihre gutachtlichen Vorschläge werden die Grundlage für die weiteren Be-
schlüsse und für gesetzgeberische Vorlagen Meiner Regierung bilden. Ich
vertraue darauf, daß auch Sie, meine Herren, alsdann bereit sein werden,
das für die Fortentwickelung des Landes wichtige Werk nach Kräften zu
unterstützen. — Endlich harrt Ihrer noch eine ernste Aufgabe. Die Vor-
arbeiten für eine Reform des Wahlrechts zum Hause der Abgeordneten
sind ihrem Abschlusse nahe. Eine Vorlage wird in einigen Wochen Ihrer
Beratung unterbreitet werden. — Strenge Sachlichkeit und pflichtbewußte
Staatsgesinnung wird, des bin Ich gewiß, wie bisher die Entschließungen
der preußischen Landesvertretung leiten. Und so erhoffe Ich von der be-
vorstehenden Tagung segensreiche Ergebnisse für die Wohlfahrt des Vater-
landes.“
11. Jannar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Etatsrede.
Vor Eintritt in die Tagesordnung spricht Ministerpräsident v. Beth-
mann Hollweg. „Meine Herren! Nachdem ich durch die Gnade Seiner
Majestät des Königs zum Amt des Ministerpräsidenten berufen bin, benutze
ich, ebenso wie es meine Vorgänger getan haben, die erste Gelegenheit, um
meine persönlichen Beziehungen mit Ihnen aufzunehmen. Ich beabsichtige
nicht, heute politische Erörterungen anzustellen. Es wird mir binnen kurzer
Frist Gelegenheit gegeben werden, mich zu wichtigen Fragen, mit denen Sie
sich zu beschäftigen haben werden, eingehend zu äußern. Sie wollen mir
heute nur einige wenige Worte gestatten. Ich glaube, diesem Hohen Hause
kein ganz Fremder zu sein. Mehrjährige gemeinsame Arbeit an den Staats-
geschäften hat uns zusammengeführt. Ich habe in mein gegenwärtiges Amt
das Gefühl mirnehmen zu dürfen geglaubt, daß der Lösung der Aufgaben,
an denen ich bisher im Verein mit Ihnen mitwirken konnte, ein von mir mit
Dank empfundenes gegenseitiges Vertrauen zugute gekommen ist. Dieses
Vertrauen als eine unentbehrliche Grundlage einer ersprießlichen Geschäfts-
führung zu pflegen, werde ich auch künftig bemüht sein."“
Finanzminister v. Rheinbaben: Ehe ich zur Begründung des Vor-
anschlags für das Jahr 1910 schreite, darf ich einen Blickauf die beiden
vorangehenden Jahre wersen und das tatsächliche finanzielle Ergebnis
des Jahres 1908, das voraussichtliche des Jahres 1909 Ihnen in Kürze
darlegen. Was das Jahr 1908 betrifft, so habe ich in meiner vorjährigen
Etatsrede gesagt, daß der Verkehr der Staatseisenbahnen, namentlich der
Güterverkehr, in folge der ausgangs 1907 einsetzenden scharfen wirtschaftlichen
Depression in sehr erheblichem Maße nachgelassen habe, und infolgedessen
auch der Beitrag zurückgegangen ist, den die Eisenbahnen zur Deckung der
allgemeinen Staatsbedürfnisse bisher geleistet haben. Ich habe damals die vor-