Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Pas Denisqe Reich und seine einzelnen Elieder. (März 5.) 157 
Als Beitrag des Reichs für das deutsche Museum in München 
werden 350000 Mark bewilligt, ebenso 2 Millionen Mark (im Vorjahre 
4 Millionen) zur Förderung der Herstellung geeigneter Kleinwohnungen 
für Arbeiter und gering besoldete Reichsbeamte. 
Bei der Spezialberatung des Etats der Kaiserlichen Marine be- 
mängelt Abg. Graf Oppersdorff (Z) die „Verwaltung aus dem Vollen“: 
das Zulagesystem, den Ueberfluß an höheren Beamten, Abteilungschefs, 
Dezernenten u. a. Die laufenden Ausgaben sind in vier Jahren von 120 
auf 157 Millionen gestiegen und werden weiter steigen, wenn die großen 
Schiffe mit ihrem größeren Deplacement fertig sein werden. Aehnlich beim 
Extraordinarium. In England werden die Kriegsschiffe bar bezahlt; wir 
verfolgen eine andere Politik, wir verkürzen zwar die Lebensdauer der 
Schiffe, aber nicht das System, die Schiffe aus Anleihen zu bezahlen. 
Eigentlich müßten doch diese Bauten von der lebenden Generation bezahlt 
werden; wir belasten die zukünftige Generation damit. In Bezug auf die 
Panzerplatten besteht immer noch das Monopol der Firma Krupp-Dillingen. 
Es ist möglich, sogar wahrscheinlich, daß Deutschland auch fernerhin die 
hohen Preise bezahlen muß, die es jetzt bezahlt. Die verbündeten Firmen 
werden ihre Monopolstellung durch Hochhaltung der Preise zu erhalten 
suchen. Gewiß, die Firma Krupp hat ihre großen Verdienste, wir sind 
stolz auf sie, aber wir sollten die Vergangenheit nicht der Zukunft opfern. 
Wir müssen aus der jetzigen Lage heraus, die einen gewissen unangenehmen 
Beigeschmack hat. Freiwillig eingeräumte Monopole wirken verteuernd 
auf die Kriegsartikel. Der Staatssekretär sollte mit starker und geschickter 
Hand in diese Verhältnisse eingreifen und sich durch keine Lob= und Hilfs- 
aktion davon abhalten lassen. 
Staatssekretär des Reichsmarineamts v. Tirpitz: Daß der Marine- 
etat eine wesentliche Steigerung aufweist, ist für niemand unangenehmer 
als für das Reichsmarineamt und besonders für den Staatssekretär des 
Reichsmarineamts selbst. Aber es ist ganz klar, daß, wenn der Zweck er- 
reicht werden soll, den wir anstreben, eine Flotte zu schaffen, welche eine 
gewisse Bedeutung hat, die Kosten so steigen müssen, wie sie veranschlagt 
worden sind. Daß wir aber die Kosten nicht höher anschlagen als es not- 
wendig ist, zeigt dieser Etat. Die Marineverwaltung hat sich bemüht, den 
Etat zusammenzuschieben, ihn den finanziellen Verhältnissen des Reiches 
anzupassen. Der Voranschlag ist denn auch um 24 Millionen hinter dem 
Voranschlag des vorigen Jahres zurückgeblieben. Außerdem möchte ich 
darauf hinweisen, daß 1916 die Anleihen für Schiffsbauten aufhören und 
durch Steuererträge gedeckt werden. Was die Frage Krupp — Marine- 
verwaltung betrifft, so hat sich der Vorredner hinsichtlich der Artillerie 
sehr kurz gefaßt und mir nur nahegelegt, bei meinem Kollegen vom Kriegs- 
ministerium einzuwirken, daß die Firma Ehrhart mehr in den Vorder- 
grund tritt. Darauf habe ich keinen rechten Einfluß. Die Entscheidung 
darüber muß dem Kriegsminister überlassen bleiben. Die Marineverwaltung 
ist an Ehrhart herangetreten und hat ein 8.8-Zentimeter-Geschütz bestellt. 
Wir haben diesen Auftrag 1904 gegeben und dringend gewünscht, ein 
solches Geschütz zu bekommen. Wir warten heute noch darauf. Was die 
Panzerplatten betrifft, so bemerke ich, daß es sich hier um einen durchaus 
berechtigten Materiallieferungsvertrag handelt. Wir haben bei der Be- 
willigung des Flottengesetzes schon vor verhältniemäßig niedrigen Preisen 
gestanden, niedrig bezüglich des Charakters als Weltmarktpreis für Panzer- 
platten. Um besser disponieren zu können, und um auch Krupp die 
Möglichkeit zu geben, seinerseils disponieren zu können, war die Marine- 
verwaltung der Ansicht, daß in den Preisen noch heruntergegangen werden
	        
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