Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

160 Das Dentsqe Reit und seine einzelnen Glieder. (März 5.) 
betrieben nicht geben. Die Marine kostet ein außerordentliches Stück Geld; 
Sparsamkeit ist also auch hier am Platze. Im Volke glaubt man vielfach, 
daß in der Marine die Grundsätze altpreußischer Sparsamkeit nicht gelten. 
Wir müssen auch deshalb auf Sparsamkeit und Kontrolle dringen und werden 
daher auch für die Resolution der Kommission stimmen, welche eine Denkschrift 
über die Tafel- und Messegelder verlangt. Sehr dankenswert ist, daß die 
Zentralisation des gesamten Beschaffungswesens in Aussicht gestellt worden 
ist. Eine noch weitere Verbilligung der Panzerplattenpreise wäre ja sehr 
wünschenswert; es würde überaus erfreulich sein, wenn der Staatssekretär 
mit seinen weiteren Bemühungen um eine Konkurrenz gegen Krupp- 
Dillingen mehr als bisher Erfolg hätte. Beim Ankauf von Materialien 
hat der Staatssekretär eine sehr geschickte Hand bewiesen und viel zu Er- 
sparnissen beigetragen. Im übrigen kann es nicht wundernehmen, wenn 
die Ausgaben für die Instandhaltung der Flotte andauernd steigen. Unsere 
Marine ist allen Marinen der Welt auch in Bezug auf die Etatsaufstellung 
voran; in dem englischen Etat steht ein Pauschauantum neben dem andern, 
wir sind in Deutschland auf diesem Gebiete ohne parlamentarisches System 
weit besser daran als andere Länder. Der Etat ist so sparsam ausgestellt 
wie irgend möglich. Ich hoffe, die Verwaltung wird auch in Zukunft mit 
immer wachsender Umsicht und Tatkraft ihre Riesenaufgabe lösen und da- 
durch im Volke die Freude an unserer jungen Flotte wieder steigern. 
Abg. Dr. Semler (Nl.): Ich bedauere, daß öffentlich, um den Ruhm 
des Herostratus zu erwerben, gesagt worden ist, diese Panzerkreuzer seien 
eigentliche Linienschiffe. Wir denken gar nicht daran, Panzerkrenzer zu 
schaffen, wo wir Linienschiffe meinen. Bei den Kreuzern wird das Haupt- 
gewicht auf die Geschwindigkeit gelegt werden müssen. Wir haben mit den 
kleinen Kreuzern ein gutes Geschäft gemacht. An dem Geschäftsgebaren 
der Marineverwaltung in dem Bau dieser Schiffe wesentliches zu ändern, 
haben wir keine Veranlassung. Eine Abschaffung der Torpedos hieße die 
Beiseitelegung einer unserer besten Waffen. Auf unseren Unterseebooten 
ist erfreulicherweise bis jetzt kein Unfall vorgekommen, wie denn auch über- 
haupt in unserer Marine relativ sehr wenig Unfälle vorgekommen sind. 
Das ist auf die innere Kraft unserer Flotte zurückzuführen. Was die 
Werftbetriebe betrifft, so haben wir aus dem Kieler Prozeß die Lehre ge- 
zogen, daß eine größere Kontrolle und eine größere kaufmännische Aus- 
bildung des Personals notwendig ist. Das gilt zunächst von dem Unter- 
personal. Die Hauptsache ist, daß die Werftdirektoren in enger Fühlung 
mit den mittleren und unteren Beamten und Arbeitern stehen müssen, daß 
der Oberwerftdirektor auch mit den Technikern in Fühlung bleibt. Die- 
jenigen Beamten, die es bedürfen, müssen in ihrem Einkommen aufgebessert 
werden. Im übrigen können Ersparnisse gemacht werden. Die englischen 
Zeitungen haben unsere Flottenpläne übertrieben. Wir bauen nicht Schiffe, 
um England den Rang abzulaufen. Wir können es nicht hindern, wenn 
England, das gegen die Welt seine Flotte ausbaut, unsere Rüstung über- 
treibt. Deutschland hat ein Recht darauf, daß man ihm glaubt, es werde 
nicht mit seiner Flotte, die an dritter Stelle steht, einen Krieg provozieren. 
wollen, während es mit einem Heer, das an erster Stelle steht, bisher den 
Frieden aufrecht erhalten hat. Unter allen Umständen wollen wir unseren 
Handel und unsere Industrie mit unserer Flotte schützen. Dazu zwingt 
uns auch unsere wachsende Bevölkerung. 
Abg. Dr. Lconhard (Fr. Vp.): Der vorliegende Etat ist höher als 
alle anderen, nur England hat einmal einen höheren Marineetat gehabt. 
Trotzdem hat sich die Kommission mit geringen Abstrichen begnügt. Der 
Etat ist allerdings durch das Flottengesetz gebunden, aber ich bezweifle,
	        
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