Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

276 Das Denishe Reich und seine eintelnen Glieder. (Mai 10.) 
der Typus der Gesetzentwürfe, und vielleicht wird es gut sein, wenn der 
behördliche Organismus auf seine Verbesserungsfähigkeit einmal angesehen 
wird. Es ist wirklich unnötig, daß eine Anzahl Geheimräte vier- und 
fünfmal Gesetzentwürfe machen, das kostet sehr viel Geld, es wäre richtiger, 
wenn gleich einige Herren aus dem Reichstage die Gesetze ausarbeiten, 
denen man vielleicht einige technische Räte zuordnen könnte. Das weitest- 
gehende war ja die Verstaatlichung, mit der wir uns auch in der Kom- 
mission beschäftigt haben. Wir haben uns aber überzeugen müssen, daß 
dieser Weg ungangbar ist. Zunächst ist es nicht über allen Zweifel er- 
haben, daß wir ein Monopol auf Kali haben. Zurzeit allerdings haben 
wir ein Monopol. Es deuten aber einige Momente darauf hin, daß auch 
in anderen Ländern Kalilager vorhanden sind, und es fragt sich doch, ob 
nicht auch abbauwürdige Lager gefunden werden, wo das bisher nicht der 
Fall war, ja nach den naturwissenschaftlichen Anschauungen über die Ent- 
stehung der Kalilager dürfte das sogar wahrscheinlich sein. Wir sehen ja 
auch, daß in Deutschland sich die Lage verschieden gestaltet, am Niederrhein, 
im Elsaß tauchen neue Werke auf, Dinge, die auch für die innere Regelung 
die Sache anders gestalten, als man bei der Gründung der Syndikate 
voraussehen konnte. Dazu kommt, daß im gegenwärtigen Moment er- 
hebliche Kapitalien zur Verstaatlichung der Kaliwerke nötig wären — in 
der Kommission setzte man die Summe auf eine, eine andere auf zwei 
Milliarden Mark. Und es ist doch zweifelhaft, ob die Verzinsung eines 
solchen Kapitals möglich wäre. Dann war von Ausfuhrzöllen die Rede, 
aber wir haben gehört, daß das nur ein Bluff gegen das Syndikat war — 
auch eine neue Erscheinung in unserem politischen Leben, daß mit solchen 
Bluffs gearbeitet wird. Mit der Regelung durch die Kontingentierung 
will man die Produzenten sichern. Wo aber, müßte man fragen, bleiben 
die Konsumenten? Nun, die Rücksicht auf sie hat zur Festsetzung der 
Preise geführt, die als Maximalpreise für das Inland und als Minimal- 
preise für das Ausland fungieren. Hier kommt der Patriotismus zu seinem 
Recht, indem man verbindert, „daß die Schätze der Heimat an das Aus- 
land verschleudert werden“. Aber, was heißt verschleudern? Ist etwa 
eine Gefahr vorhanden, daß für die heimische Landwirtschaft kein Kali 
mehr geliefert werden kann, das wird kein Mensch behaupten. Die Un- 
ermeßlichkeit der Kalilager sichert den Bezug von Kali auf Jahrhunderte 
hinaus, wenn nicht auf Jahrtausende. „Aber die Preise für das Ausland 
sind billiger.“ Das kann allerdings ein Geschenk für das Ausland sein 
und kann eine Verschleuderung sein, wenn die Preise zu niedrig sind. Das 
ist aber keine Verschleuderung, wenn die Preise im Inland zu hoch sind. 
Und gerade das Kartell will die Preise hochhalten, und wenn nun ein 
Outsider kommt, der das Kali billiger abgeben will, dann kommt die Staats- 
gewalt und sagt: das darf nicht sein. Wir baben hier also eigentlich eine 
Umkehrung des Gedankens einer Kartellgesetzgebung gegen früher. Die Pro- 
duzenten behaupten, sie hätten eigentlich gar kein Vergnügen an diesem 
Gesetz. Ich weiß nicht, ob es bloß Mache ist. Man sagt, es handle sich 
um nationale Interessen. Machen wir uns nichts vor. Das Gesetz wird 
gemacht, um einer Industrie, welche sich in einer kritischen Lage befindet, 
über diese kritische Lage hinwegzuhelsen. Es wird gemacht unter Ein- 
wirken nach allen Richtungen hin in wichtige Interessen, unter Ver- 
leugnung der Grundsätze, die bisher unser wirtschaftliches Leben be- 
herrscht haben. 
Preußischer Handelsminister Dr. Sydow: Der Vorredner ließ die 
Frage offen, auf welche Weise wir denn den Mißständen abhelfen können, 
die von der großen Mehrheit dieses Hauses anerkannt werden. Sein Ge-
	        
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