Das Neeische Reich und seine einzelnen Glieder. (September 18.—24.) 347
geleiten. Ich glaube der Großherzog würde sich umgekehrt sehr gehütet
haben, bei Kolb und Frank mitzugehen, denen ich im übrigen wünsche,
daß sie noch lange leben. Die Nationalliberalen sind die größten Feinde
des allgemeinen Wahlrechts. Ihr in Baden, die Ihr heute Euch so mit
den Nationalliberalen verbündet habt, hättet das allgemeine Wahlrecht
nicht, wenn das Zentrum nicht gewesen wäre. Als das Zentrum das all-
gemeine Wahlrecht verlangte, da haben sich natürlich auch die National-=
liberalen angeschlossen, wenn sie nicht unter den Schlitten kommen wollten.
Ich denke, wir sind Sozialdemokraten, und wenn Nationalliberale in unserer
Partei sind, so müssen sie heraus. Wir haben mehrere solche National-
liberalen, die ganz nationalliberale Politik machen und die Partei in das
nationalliberale Lager führen wollen. Wenn die bürgerlichen Parteien
mit der Sozialdemokratie zusammengehen, dann ist tausend gegen eins zu
wetten, daß nicht die bürgerlichen Parteien, sondern wir verlieren. Es ist
ein altes Gesetz: Wenn rechts und links zusammenmarschiert, gewinnt rechts
und links verliert. Das Beispiel dafür war der Bülow-Block. Wären
unsere Minister bis ganz oben hinauf nicht so furchtbar dumme Hiesel, dann
könnten sie gute Geschäfte machen. Es gibt sehr viele sozialdemokratische
Kämpfer, die sich gern fangen lassen. Bossermann sagte ja, von dem Block
Bassermann bis Bebel wolle er nichts wissen. Ich kann Ihnen sagen, daß
nicht nur der Bassermann, sondern auch der Bebel von dem Block nichts
wissen will. Nun wird gesagt, was ein Badenser gemacht, geschah schon
früher, ich selbst sei der Sündenbock. David hat ausgegraben, daß 1887
in St. Gallen beschlossen wurde, für keinen Freisinnigen zu stimmen. Trotzdem
gab das Zentralwahlkomitee nachher die Parole für den Freisinn aus. Ganz
richtig. Es war 1890, wo es sich um die Verewigung des Sozialisten-
gesetzes handelte und auf eine Stimme ankommen konnte. Da war es
keine Frage des Prinzips, sondern der Taktik. Aber jetzt handelt es sich
um das Prinzip. Ich erkläre daher, im Namen meiner Vorstandskollegen
und der Kontrollkommission, daß wir gegen den verschärfenden Antrag
von 200 Genossen stimmen werden und bitte die Genossen dringend, den
Antrag zurückzuziehen. Aber ich erkläre weiter, und das ist in unserer
Resolution auch ganz klar ausgesprochen: wenn so etwas noch einmal
passiert, dann hinaus, dann mag passieren, was will.“ (Stürm. Beifall.)
Frank-Mannheim legt weniger Wert auf die disziplinarrechtliche,
als auf die politische Frage. Es gibt Umstände, unter denen der Disziplin-
bruch zur Pflicht wird. Die Partei will keinen automatischen Gehorsam.
Die ausführenden Genossen sollen nicht als Maschine handeln, sondern als
vernünftige Leute. Nach dem Parteitag in St. Gallen hat der Partei-
vorstand, wie Bebel eben erwähnt hat, selbst nach diesen Gesichtspunkten
gehandelt. Bebel meint, damals sei eine taktische, heute eine prinzipielle
Frage in Betracht gekommen. Ja, was ist das für ein Unterschied? Wenn
man beschließt, eine Dummheit nur einmal zu machen, dann ist es eine
taktische Frage, wenn man sie aber dauernd machen will, dann ist es eine
prinzipielle Frage. Ein Prinzip läßt keine Durchlöcherung zu. Der Nürn-
berger Beschluß sieht aber Ausnahmen vor, für den Fall, daß die Budget-
verweigerung die Annahme eines schlechteren Budgets zur Folge haben
würde. Wenn aber ein Beschluß solche Ausnahmen zuläßt, so ist es kein
prinzipieller Beschluß. Wir glaubten, daß dem Geiste der Resolution nach
diese Ausnahme auch für den Fall gelten müsse, daß wir Einfluß auf ein
Budget üben konnten und deshalb wollten wir das Budget nicht ablehnen.
Da hielt der Minister v. Bodman die Rede, in der er den Sozialdemo-
kraten die Gleichberechtigung versagte. Dadurch wurden wir gezwungen,
gegen diese Aeußerung durch Verweigerung des Budgets zu demonstrieren.