Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Das Veutsche Reich und seine einjelnen Glieder. (Dezember 13.) 441 
nur eine deutschnationale Kolonialpolitik treiben werde. Wenn ich auf 
etwas in meiner amtlichen Tätigkeit stolz bin, so ist es besonders das Ver- 
trauen, das ich bei den Deutschen in Britisch-Afrika während des Buren- 
krieges gehabt habe. Diese alte Anhänglichkeit wird mir auch heute noch 
entgegengebracht und das würde wohl nicht geschehen, wenn sie nicht davon 
überzeugt wären, daß ich seinerzeit ihre Interessen so gut als möglich ver- 
treten habe. Mein Standpunkt hat sich seit jener Zeit nicht geändert. 
Das hindert aber nicht, daß wir die Ausländer in unseren Kolonien 
freundlich behandeln, genau so, wie wir erwarten, daß unsere Deutschen 
im Auslande freundlich behandelt werden. Die Kolonialpolitik wird sich 
nicht loslösen lassen von unserer gesamten deutschen auswärtigen Politik. 
Ich meine auch heute, daß wir vom Ausland lernen können, und ich bin 
dem Grafen Caprivi dankbar dafür, daß er mich als jungen Assessor, als 
ich hinausreiste in unsere Kolonien, über Südafrika reisen ließ. Sie dürfen 
überzeugt sein, daß ich, so lange ich hier an der Spitze des Kolonialamtes 
stehe, nur eine deutschnationale Kolonialpolitik treiben werde. Dann hat 
Herr Erzberger gestern ausgeführt, in Samoa würden die deutschen Inter- 
essen nicht genügend gewahrt. In Samoa liegen die Verhältnisse ganz 
besonders eigenartig. Ursprünglich waren die Verhältnisse fast ganz eng- 
lisch, die Verwaltungssprache, die Gerichtssprache usw. waren englisch. 
Alles das ist in den letzten Jahren deutscher geworden. Die deutsche 
Sprache ist eingeführt worden. Der Gouverneur hat die deutschen Schulen 
auf das energischste unterstützt, und wenn wir noch nicht weiter gekommen 
sind, so liegt das wesentlich an den Mitteln, die dafür zur Verfügung 
stehen. Von den Eingeborenen wird auch heute noch viel englisch gesprochen. 
Aber neuerdings wird das Deutsche bereits bevorzugt. Nun hat bei einer 
Abschiedsfeier die englische Sprache Anwendung gefunden. Die Festrede 
ist von einem Deutschen dabei gehalten worden. Der Gouverneur hat in 
deutscher Sprache geantwortet. Er hat einige englische Worte einfließen 
lassen, die speziell an die englischen und amerikanischen Vertreter gerichtet 
waren, die nur englisch verstanden. Die beiden englischen und amerikanischen 
Vertreter haben dann englisch geantwortet, weil sie nicht deutsch konnten. 
Das ist der Hergang der Sache gewesen. Ich glaube, dagegen kann man 
nichts einwenden, und der Gouverneur erfreut sich bei den deutschen An- 
siedlern geer Hochachtung. (Beifall 1.) 
Edler zu Putlitz (K.): Durch das Zustandekommen der 
Finanzussn ist ein schwerer Druck von uns genommen worden. Wir 
können ohne Sorge in die Zukunft blicken, wenn weiter so sparsam ge- 
wirtschaftet wird wie in diesem Jahr. Nach der Finanzreform hat eine 
große Erregung im Lande eingesetzt und das hat zum großen Teil an der 
Agitation aller Liberalen gelegen. Es ist das von uns als Steuerhetze 
bezeichnet worden und die Ausführungen des Abg. Bassermann haben be- 
wiesen, daß dieser Ausdruck berechtigt war. Eine Legende ist auch die Be- 
hauptung, es bestehe ein schwarz-blauer Block. Wir haben während der 
Zwischenzeit viel häufiger mit den Nationalliberalen zusammengestimmt als 
mit dem Zentrum. 
Abg. Dr. David (Sd.): Wer trägt denn die Verantwortung für die 
frühere unsolide Schuldenwirtschaft, über die Sie jetzt immer klagen? Die 
Herren von der Regierung und die Herren Konservativen. Wer glaubt, 
wir seien über diese Schuldenwirtschaft hinaus, der muß ein ganz unverbesser- 
licher Optimist sein. Wenn der Herr Schatzsekretär glaubt, den Felsblock 
den Berg hinauf auf die sichere Plattform ziehen zu können, so irrt er sich, 
denn droben stehen zwei Männer, die sind stärker als er und die drücken 
den Felsblock stets von neuem wieder herab. Das sind der Herr Kriegs-
	        
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