Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

454 Bie SKerreichisch-ungarische Monarchie. (Januar 8.—25.) 
8. Jannar. (Kärnten.) Bergwerksunglücksfall. 
Infolge des Bruches eines Verbaues in dem Gräflich-Henckelschen 
Grubenfelde versank in Raibl das Bergwerkshospital. Der Arzt mit seiner 
Hamilie und einigen Hilfspersonen (im ganzen sieben Personen) fanden 
ihren Tod. 
18. Januar. (Wien.) Kabinettswechsel in Ungarn. 
Das Kabinett Wekerle erhält in einer Abschiedsaudienz die An- 
erkennung des Kaisers und seine Entlassung. Das neue Ministerium des 
Grafen Khuen-Hedervary, das darauf vereidigt wird, verdankt sein 
Zustandekommen der Einwirkung des Kaisers auf die Parteiführer Tisza 
und Andrassy, ihre prinzipielle Opposition in Personalfragen aufzugeben. 
18. Januar. (Niederösterreich.) Sprachenfrage. 
Im Landtage brachten die Deutsch-Nationalen einen Antrag, betr. die 
deutsche Unterrichtssprache an den öffentlichen Volks= und Bürgerschulen 
ein (Lex Kolisko). Die Christlich--Sozialen störten die Verlesung mit Rufen: 
„Pfui, das ist ein deutsches Wort und deutsche Treue“, weil sie den Antrag 
mit einer Abmachung der Parteien vom vorhergehenden Tage angeblich im 
Widerspruche fanden. 
21. Januar. Der russische Militärattaché Oberst Martschenko 
wird abberufen. 
Er hatte nachweislich den Versuch gemacht, einem Beamten am Wiener 
Arsenal die Konstruktionsgeheimnisse des neuen österreichischen Artillerie- 
Sprenggeschosses abzukaufen. 
24. Januar. (Ungarn.) übler Empfang des Kabinetts 
Khuen-Hedervary im Abgeordnetenhaus. 
Nach der Verlesung des kaiserlichen Handschreibens, betr. die Er- 
nennung der neuen Regierung, das der Minister dem Prasidenten Gall 
überreichte, kommt es zu einer erregten Debatte, in der Bannffy, Hollo 
und Polonyi gegen die unbedingte Promulgierung, Graf Andrassy dafür 
sprechen. Die Wut der Justh-Partei richtet sich gegen den Präsidenten, 
dem die Verfassungs-, die Volks= und die Kossuth-Parteien, sowie die Kroaten 
zustimmen. Wegen des Geschreies und einiger Handgreiflichkeiten muß die 
Sitzung suspendiert werden. Im Magnatenhause erkannte Graf Tisza die 
Verdienste Khuens an, sprach sich aber gegen die Wahlreform aus, die weder 
der Nation noch der Dynastie Vorteile bringen könne. 
24. Januar. (Lemberg.) Antipreußische Demonstration. 
Vor der Filiale einer Berliner Schuhfabrik veranstalteten Studenten 
eine stürmische Demonstration. Sie schlugen unter den Rufen: „Weg mit 
den preußischen Lakaien“ die großen Spiegelscheiben ein und erzwangen die 
Sperrung des Lokales. Die Demonstranten, die unausgesetzt in Schmäh- 
rufe gegen das preußische Enteignungsgesetz und Hochrufe auf den Boykott 
preußischer Waren ausbrachen, wurden schließlich von der Polizei zerstreut. 
25. Januar. Der Generaldirektor der Prager Eisenindustrie- 
Gesellschaft Kestranek beschuldigt in einem offenen Brief den Finanz- 
minister v. Bilinski, seine Gesellschaft schikaniert und mit großen 
Steuerausschreibungen belegt zu haben, weil der inzwischen ver-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.