Hie St#rreichischungerische Monarchie. (März 4.) 459
Schaffung einer endgültigen neuen Geschäftsordnung. Für die Bewältigung
einer derartigen Fülle von Arbeiten sei die Aufstellung eines in sich ge-
schlossenen Arbeitsprogramms, die Schaffung des Beharrungszustandes
in nationalen Fragen und der von einer festgefügten Mehrheit bekundete
Wille zur Arbeit unbedingt notwendig, womit die sicherste Bürgschaft für
eine bessere Zukunft geschaffen werden würde. Der Ministerpräsident schloß
mit der Versicherung, daß das Haus bei allen auf positive Arbeit gerichteten
Bestrebungen auf die wärmste Unterstützung der Regierung zählen könne,
die keinen anderen Wunsch habe, als daß das österreichische Bolkshaus zu einer
Stätte werde, die die Vertreter aller Völker zu gemeinsamer Arbeit ver-
einige zum Wohle und Gedeihen des Staates.
Abg. Dr. Kramarz (Jungtscheche) erklärte: Die parlamentarische
Kommission der Slavischen Union hat mich beauftragt, hier zu erklären,
daß sie keinen Grund findet, ihre Stellung zur Regierung zu ändern, weil
sich das System der Regierung nicht geändert hat. Auch die heutigen Er-
klärungen des Ministerpräsidenten für die Zukunft hätten keine Ausblicke
eröffnet, die auf die Stellung der Slavischen Union zur Regierung ein-
wirken würden. Die Vorlage der Regierung über den Sprachengebrauch
sehe er, Redner, als die größte Störung der Möglichkeit einer friedlichen
Auseinandersetzung an, da seine Partei nicht imstande sei, diese Vorlage
als Grundlage der Verhandlungen anzunehmen. Das bedeute aber durchaus
nicht, daß die Tschechen einer nationalen Auseinandersetzung aus dem Wege
gehen wollten. Bei den Verhandlungen über die Möglichkeit einer Land-
tagssession in Böhmen wäre beiderseits, und namentlich in tschechischen
Kreisen, der ernste Wille vorhanden gewesen, über das Problem des natio-
nalen Streites zu verhandeln. Was habe aber die Regierung getan? Sie
habe den bisherigen deutschen Landsmannminister Dr. Schreiner nach
Böhmen geschickt (Heiterkeit), was sicher nicht das allerbeste Mittel gewesen
sei, die Arbeitsfähigkeit des Landtages zu fördern. Redner verwahrt sich
gegen die in seinen Patriotismus gesetzten Zweifel und gegen die an seiner
Petersburger Rede geübte Kritik und erklärte, die Tschechen seien bereit,
mit den Deutschen ernstlich zu verhandeln. Die Deutschen würden aber
von ihnen nie etwas erzwingen. Oesterreich dürfe nicht slavisch, aber auch
nicht deutsch sein. Die slavischen Völker seien nicht dazu da, als „Wacht
am Rhein“ zu stehen. Die Tschechen seien bereit, dieses Staatswesen,
wenn es nicht eine wahnsinnige deutsche und magyarische Politik
mache, mit allen ihren Kräften zu unterstützen, aber auch nur dieses Staats-
wesen und nicht fremde Interessen. Nur der unerhörten österreichischen
Politik gegenüber den Südslaven sei es zuzuschreiben, daß die Annexion
Bosniens zu einer Kriegsgefahr wurde. Hoffentlich werde es der Slavi-
schen Union gelingen, dem gegenwärtigen Regierungssystem ein Ende
zu machen.
Abg. Stölzel bekämpfte die Ausführungen des Abg. Kramarz und
bemerkte, der von Kramarz als Kulturidee verfolgte Neoslavismus laufe
in Wirklichkeit auf den Panslavismus hinaus. Die Deutschen Oesterreichs
hätten vom deutschen und staatlichen Standpunkt zu besorgen, daß sie vom
Panslavismus umklammert würden. Der tue Unrecht, der gegen das
Bündnis streite, das durch mehr als 30 Jahre nicht nur Böhmen, sondern
Europa den Frieden bewahrt habe.
4. März. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Debatte
über die Elbschiffahrtsabgaben.
Abg. Smrcek beantragt: Die Regierung wird aufgefordert, mit
allem Nachdruck dahin zu wirken, daß unter keiner Bedingung die Auf-