Die ãsterreitisq · nngarishe Menarhie. (Mãrʒ 21. - April 18.) 461
21. März. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Skandalszenen.
Die Mitglieder der Justh= und Kossuthpartei stürmten plötzlich wie
auf Kommando auf den Ministerpräsidenten Grafen Khuen los, gegen
den vorher Bücher und Tintenfässer geschleudert worden waren. Alle
Minister schaarten sich um den Ministerpräsidenten, konnten jedoch dem
Andrang der Menge nicht standhalten. Mehrere Abgeordnete wie Zacharias,
Zboray, Pozsgay und Endrey bearbeiteten den Grafen mit Büchern,
Tafeln 2c., so daß das Gesicht des Grafen Khuen blutig geschlagen wurde,
während außerdem ununterbrochen allerlei Wurfgeschosse gegen seinen Kopf
slogen. Ackerbauminister Graf Serenyi warf sich plötzlich vor Khuen und
erhielt gleichfalls mehrere Wunden im Gesicht. Unter ungeheurer Auf-
regung suspendierte der Präsident die Sitzung. — Die Sozialisten ver-
anstalten in Budapest abends Straßendemonstrationen, bei denen Raketen
mit Petarden geworfen und mehrere Personen schwer verwundet wurden.
22. März. (Ungarn.) Auflösung des Reichstags.
Die Thronrede erklärt, daß die Tätigkeit des Reichstags nach vier-
jähriger Dauer sowie das notwendige harmonische Zusammenwirken der
verfassungsmäßigen Faktoren ins Stocken geraten sei. In dieser für das
Land schädlichen Lage sei beschlossen worden, den Reichstag vor Ablauf
seines Mandates aufzulösen. Die Thronrede gibt der Hoffnung Ausdruck,
daß das Einverständnis und das gegenseitige Vertrauen zwischen dem
König und der Nation den ungestörten Gang des verfassungsmäßigen Lebens
sichern werde.
31. März. (Krain.) Gegen die Schulen des deutschen
Schulvereins.
Der klerikale Landesschulrat verfügte die Schließung von drei neu
errichteten Filialschulen in dem gemischtsprachigen Bezirke von Tschernembl,
da das Reichsvolksschulgesetz „Exposituren“ (Filialklassen) von Privatvolks-
schulen nicht kennt. Der Landesschulrat verfügte, daß einer Beschwerde
gegen seine Verfügung an das Reichsgericht keine aufschiebende Wirkung
zukomme, und daß daher die Exposituren sofort zu schließen seien.
2. April. (Agram.) Der oberste Gerichtshof hebt das Urteil
im Hochverratsprozeß (s. 3. März 1909) wieder auf.
Die beiden zu 12 Jahren verurteilten Hauptbeschuldigten Adam und
Valerian Prebitschewitsch werden demnach auf freien Fuß gesetzt.
15. April. (Wien.) Theodor Roosevelt wird vom Kaiser in
Privataudienz empfangen.
16. April. (Wien.) Der päpstliche Nuntius hat mit Roose-
velt, den er im Hotel aufsucht, eine #stündige Unterredung über
die Vorgänge in Rom. (S. Römische Kurie, 4. April.)
Mitte April. (Prag.) Zur Sprachenfrage.
Der Gemeinderat beschließt, die Veröffentlichungen des Prager
Statistischen Amts nicht mehr in deutscher, sondern nur noch in tschechischer
und französischer Ausgabe erscheinen zu lassen.
18. April. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus.
Z Der Budgetausschuß beschloß mit 25 gegen 21 Stimmen gemäß
einem Antrag Steinwender, die Regierung zu ermächtigen, zur Deckung