476 Bie Serreichisch#gerische Maesarchie. (Oktober 20.—24.)
befriedigend geworden. Obwohl wir einer verschiedenen Mächtegruppierung
angehören, schätzt man in London und Paris die ruhige, auf friedliche Ziele
erichtete Politik der Monarchie richtig ein und legt großen Wert auf gute
eziehungen mit der Monarchie, was hier selbstverständlich aufrichtig er-
widert wird. Die Vorkämpfer für die neoflavische Idee scheinen zu vergessen,
daß der egoistische Zug in jedem Volke stärker ist als sentimentale Aspi-
rationen auf dem Gebiet der Annäherung der Nationen, welche derselben
Völkerfamilie angehören. Das völkerrechtliche Grundprinzip, sich nicht in
fremde Angelegenheiten einzumischen, hat er selbst zu bestimmen. Es scheint
daher ebenso unangebracht, dem russischen Monarchismus Anweisungen zu
erteilen, wie es unangebracht und von uns zurückzuweisen wäre, wenn
Belehrungen über unsere innere Politik an unsere Adresse gerichtet würden.
Seit dem Abschluß der vorjährigen Krise sind unsere Beziehungen
zu Serbien befriedigend. Die Haltung der serbischen Regierung ist korrekt
und entgegenkommend, und bei uns ist dasselbe Entgegenkommen vor-
handen. An den abgeschlossenen serbischen Handelsvertrag werden sich vier
Konventionen, betreffend Konfsularwesen, die Rechtshilfe, die Schiffahrt und
die Auslieferung, anschließen, welche eine Erleichterung des gegenseitigen
Verkehrs bezwecken. In gleicher Richtung gedenkt der Minister auch mit
Bulgarien Verhandlungen zu pflegen, wobei er erinnern möchte, daß
Oesterreich-Ungarn als erste europäische Macht ihre Bereitwilligkeit zur
Modifikation des Kapitulationsregimes in Bulgarien ausgesprochen hat.
Was die mehrfach gestreifte Handelspolitik anbelangt, so betonte der Minister,
daß er beim Abschluß der Handelsverträge nur als ausführendes Organ
fungiert habe, indem er auf Grund der Beschlüsse der beiden Regierungen
Verhandlungen führt. Er könne nur sagen, daß auch er mit den erreichten
Resultaten nicht zufrieden sei und daß er andere Ergebnisse gewünscht
hätte. Er könne nur versichern, daß er in den Bestrebungen, die handels-
politischen Beziehungen mit den Balkanstaaten auszubilden, nicht erlahmen
werde. (Beifall.)
20. Oktober. (Wien.) Der Botschafter in Paris Graf
Khevenhüller-Metsch f. 66 Jahre alt.
20. Oklober. (Prag.) Deutsch-tschechische Verhandlungen.
Sie führen zu dem vorläufigen Beschluß, daß die autonomen Ge-
meinden die Amtssprache beliebig wählen, Prag aber alle Kundmachungen
in beiden Sprachen veröffentlichen und auf deutsche Eingaben etwaigen
tschechischen Antworten eine amtliche deutsche Uebersetzung beifügen muß.
Dagegen bleibt das Stadtsiegel und die Aufschrift der Straßentafeln rein
tschechisch.
21. Oktober. (Wien.) Ehrung des deutschen Kaisers.
Der Wiener Stadtrat hat beschlossen, an beiden Enden des Kaiser
Wilhelm-Rings Marmortafeln anzubringen mit der Inschrift: Dieser Teil
der Ringstraße, ursprünglich Parkring, erhielt seinen Namen zur bleibenden
Erinnerung an den Besuch Seiner Majestät des Deutschen Kaisers Wilhelm II.
im Wiener Rathause am 21. September 1910.
24. Oktober. Das Reichsgericht hält die Entscheidung des
Unterrichtsministeriums aufrecht, daß Privatvolksschulen nicht in
Privatlehranstalten ohne Religionsunterricht umgewandelt werden
dürfen.