Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Bie ##hisch-ungerische Monarchir. (Oktober 25.—November 9.) 477 
25. Oktober. Der Heeresausschuß der österreichischen Delegation 
nimmt für die Marine eine Personalerhöhung von 10% und einen 
außerordentlichen Kredit von 54 Millionen Kronen an. 
29. Oktober. (Kroatien.) Ergebnis der Landtagswahlen: 
13 Anhänger der Regierungspartei, 33 der Koalition, 16 Christlich- 
Soziale, 9 Anhänger der Starcevitschpartei, 7 der Bauernpartei, je 1 
radikaler Serbe, Sozialist, Deutschnationaler und Wilder. Sieben Stich- 
wahlen sind erforderlich. 
3. November. (Niederösterreich.) Abgeordnetenwahl. 
An Stelle des verstorbenen Bürgermeisters Dr. Lueger wird unter 
großer Aufregung der Sd. Franz Schuhmeier mit 12761 Stimmen gegen 
den Christlich-sozialen Preyer (11625 Simmen) als Landtagsabgeordneter 
für den II. Wiener Gemeindebezirk (Leopoldstadt) gewählt. 
4. November. (Kärnten.) Fürstweihbischof Dr. Kaan in Gurk. 
Dr. Kaan verzichtet auf seinen Bischofssitz infolge des Zusammen- 
bruchs des Verbandes der landwirtschaftlichen Sparkassen, an dem er durch 
übergroße Vertrauensseligkeit beteiligt ist. Der Kardinal-Fürsterzbischof 
Dr. Katschthaler von Salzburg macht von seinem Recht als Primas Germaniae 
Gebrauch und ernennt zum Nachfolger den Salzburger Weihbischof Dr. Kaltner. 
Das Haus Habsburg hat 1535 vertragsmäßig dem Salzburger Erzbischof 
d Sesetung des Bischofsstuhles von Kärnten bei jeder dritten Vakanz zu- 
gestanden. 
7. November. (Tirol.) Der „Alldeutsche Verein“ beschließt, 
gegen die Einwanderung portugiesischer Jesuiten zu demonstrieren. 
9. November. (OÖsterreichische Delegation.) Auswärtige 
Politik. 
Zwei tschechische und ein sozialdemokratischer Redner ergingen sich 
bei Besprechung der Dreibundpolitik in persönlichen und gehässigen Be- 
merkungen gegen Kaiser Wilhelm und die Habsburger, auf welche Graf 
Aehrenthal in ungewöhnlich scharfer Weise antwortete. Er erklärte, daß 
er die Angriffe gegen Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Joseph mit Ent- 
rüstung zurückweisen müsse. Der Deutsche Kaiser, der in ernster Stunde 
treu Kaiser Franz Joseph zur Seite gestanden sei, habe sich auch bei einem 
Sozialdemokraten besseren Dank verdient, und Kaiser Franz Joseph, der 
von demselben Redner zum Gegenstand persönlicher Ausfälle gemacht würde, 
habe den Völkern Oesterreichs das allgemeine Wahlrecht gegeben. Die Ge- 
samtheit der Delegierten war mit dieser energischen Zurückweisung des 
Ministers des Aeußeren eines Sinnes und gab ihrer Meinung durch demon- 
strativen Beifall Auedruck. Bezüglich der Ausweisungen aus Preußen er- 
klärt Graf Aehrenthal, daß in allen eines Protestes würdigen Fällen beie 
der deutschen Regierung interveniert wurde. In mehr als der Hälfte der 
Fälle sei ein Erfolg erzielt worden. Uebrigens dürfte nicht aus dem Auge 
gelassen werden, daß in den preußischen Grenzprovinzen ebenso wie in 
anderen Ländern hinsichtlich des Aufenthaltes und der Niederlassung der 
Fremden spezielle, rigorose Vorschriften bestehen. Der Minister erklärt 
weiter, daß die Informationsstücke, die Dr. Friedjung vorgelesen habe, weder vor 
noch nach der Annexion auf die Entschlüsse des Ministers, also auf die Politik 
der österreichisch-ungarischen Regierung irgend einen Einfluß gehabt hätten.
	        
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