Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Groftbritannien. (Februar 21.) 499 
sollten, keine Vorlage einbringen, über die es Streit geben könne. Es sei 
dies zwar ein ungewöhnliches Vorgehen, aber es sei auch ein ungewöhnliches 
Vorgehen, das die allgemeinen Neuwahlen veranlaßt habe. Was die Frage 
der sogenannten Garantien von der Krone anlange, so habe er keine solchen 
Garantien erhalten oder sie zu erhalten gewünscht. Denn es sei Pflicht 
des verantwortlichen Staatsmannes, den Namen des Monarchen und die 
Prärogative der Krone bei der Politik möglichst aus dem Spiele zu lassen. 
(Beifall bei den Oppositionellen.) Wenn sich Veranlassung bieten sollte, 
so würde er nicht zögern, der Krone zu raten, wie es die Umstände im 
öffentlichen Interesse angemessen erscheinen ließen. (Beifall bei den Mini- 
steriellen.) Aber plein pouvoir für eine unbeschränkte Ausübung der 
königlichen Prärogative für eine Maßnahme, die dem Unterhause noch gar 
nicht unterbreitet sei, zu verlangen, würde eine Forderung sein, die kein 
konstitutioneller Staatsmann aufstellen (Beifall bei den Oppositionellen) 
und deren Gewährung man von keinem konstitutionellen Monarchen er- 
warten könne. 
Er fuhr dann fort: Niemand könne bestreiten, daß im gegenwärtigen 
Unterhaus eine überwältigende Mehrheit sich dafür verbürgt habe, die Frage 
des Oberhausvetos zu regeln. Die Regierung schlage zunächst vor, mit 
Resolutionen bezüglich des Vetos vorzugehen, die später nach ihrer An- 
nahme der Bill einverleibt werden sollten. Die Regierung sei der Meinung, 
daß dieses Verfahren sich rechtfertige durch die Wichtigkeit der Vorschläge, 
die eine Umformung des konstitutionellen Systems Englands bedeuteten. 
Dieses Verfahren würde das Haus instand setzen, möglichst früh seine Billigung 
oder Mißbilligung der Vorschläge der Regierung auszusprechen, und der Re- 
gierung es ermöglichen, zu sehen, ob sie die Billigung des Hauses habe. 
Asquith wies dann auf die zahlreichen Ausgaben hin, für die vor 
Schluß des Finanzjahres am 31. März gesorgt werden müßte, wenn die 
Regierungsmaschinerie nicht zum Stillstand kommen sollte. Dazu gehörten 
die Ausgaben für Heer, Flotte, Zivildienst und Alterspensionen. Die Re- 
gierung schlage daher nur eine kurze Vertagung zu Ostern vor. Das Haus 
würde dann weiter sitzen, bis es das alte Budget und die Resolutionen 
über die Lords erledigt hätte. Diese Periode würde sich vermutlich bis 
Mitte April ausdehnen, worauf das Haus große Ferien machen würde. 
Nach den Ferien würde man zu der Bill übergehen, die auf den Resolu- 
tionen über das Vetorecht der Lords fußt. Das Budget würde den Lords 
indessen nicht eher übersandt werden, als bis das Unterhaus Gelegenheit 
gehabt hätte, seine Meinung über die Lordsresolutionen auszusprechen. 
Asquith fuhr fort, das frühere Budget sollte nur in einigen verhältnis- 
mäßig unwesentlichen Punkten abgeändert und das Haus solle ersucht 
werden, das Geschehene nachträglich zu genehmigen, die vom letzten 
Unterhause genehmigten Steuern wieder zu erheben und den Bestimmungen 
des früheren Budgets bezüglich der Landabschätzung rc. die Genehmigung 
zu erteilen. (Beifall bei den Ministeriellen.) Hierfür würde es notwendig 
sein, ein summarisches Verfahren in Anwendung zu bringen; aber es sei 
nicht notwendig oder wünschenswert, gegenwärtig die Methode anzugeben. 
Der Premierminister schloß, die Regierung wünsche es klar zum 
Ausdruck zu bringen, daß sie mit dem Budget und den Resolutionen be- 
treffend das Oberhaus stehe oder falle, da sie beide Punkte als einen in- 
tegrierenden Bestandteil ihrer Politik ansehe und ihre Existenz daran setzen 
müsse, um diese im Unterhause durchzubringen. Wenn das Haus mit den 
Vorschlägen der Regierung nicht einverstanden sei, müsse diese sich der Ent- 
scheidung beugen. Obwohl die Lage reichlich Versuchung biete, irgendeinen 
leichten Ausweg zu finden, sei es Pflicht der Regierung, jede Anstrengung 
32“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.