Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

522 Großbritannien. (November 18.) 
der lohnerhaltenden Klassen bedeute, so würde er sie nicht anrühren; wenn 
sie zu einer Erhöhung der Brotpreise führe, so müsse eine Entschädigung 
durch Ermäßigung der Zölle auf Tee, Zucker und dergleichen gewährt 
werden. 
18. November. (Unterhaus.) Rede des Premierministers. 
Krawall der Suffragettes. 
Asquith führt aus, daß die Regierung sich niemals mit dem Ge- 
danken befaßt habe, die Budgetvorlage fallen zu lassen; sie schlage vor, 
daß das Haus die wesentlichen Teile des Budgets erledige, nämlich den 
Teezoll, die Einkommensteuer und den Amortisationsfonds. Nachdem der 
Premierminister noch zwei andere minder wichtige Maßnahmen erwähnt 
hatte, die noch in diesem Jahre erledigt werden müßten, und mitgeteilt 
hatte, daß die Regierung beabsichtige, im nächsten Parlament eine Ent- 
schädigung für die Mitglieder des Hauses in Vorschlag zu bringen, teilte 
er mit, daß die Regierung dem König geraten habe, nach Erledigung der 
erwähnten parlamentarischen Arbeiten die gegenwärtige Session und 
das jetzige Parlament zu schließen. (Lebhafter Beifall bei den Mini- 
steriellen.) Der Minister erinnert an die Annahme der von der Re- 
gierung beantragten Veto-Resolutionen, die im April durch starke Mehr- 
heiten im Hause erfolgte, und an den präzedenzlosen Vorgang, daß bei 
dem Tode des geliebten Königs Eduard die beiden bereits in Schlacht- 
ordnung stehenden Parteien die Waffen niedergelegt und die Führer sich 
zu einer geheimen Konferenz zurückgezogen hätten. Was die Kon- 
ferenz angehe, so schäme er sich nicht, zu gestehen, daß er fast bis zum 
letzten Augenblick auf die Möglichkeit einer Verständigung gehofft habe. 
Er glaube, diese Hoffnung sei von allen Mitgliedern der Konferenz geteilt 
worden. Obschon die Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen, war der 
Versuch doch der Mühe wert. Er sei entschieden der Ansicht, daß niemals 
ein ehrlicherer Versuch von Männern starker Meinungsverschiedenheiten ge- 
macht worden sei, die beiderseitigen Ansichten zu verstehen, wenn möglich 
eine gemeinschaftliche Basis für eine Verständigung zu finden und auf 
dieser Basis einen Bau zu errichten, der wenigstens Aussicht auf Stabilität 
und Dauer gewähre; sie hätten sämtlich die Lösung dieser Aufgabe nur 
mit Widerstreben aufgegeben, aber hätten sie doch aufgegeben, weil sie die 
Ueberzeugung gewannen, daß es für den Angenblick nutzlos sei, die Lösung 
weiter zu versuchen. Es sei müßig, anzunehmen, daß eine Verständigung, 
die selbst unter so günstigen Verhältnissen sich als unerreichbar erwiesen 
habe, in diesem Parlament in dem Lärm und dem Ungestüm des Partei- 
kampfes ausgearbeitet werden könnte. Das Resultat ist, fuhr Asquith 
sort, daß wir wieder zum Kriegszustand gelangen. Die Regierung weiß, 
daß, wenn die Lords eine Gelegenheit wünschen, um vor der allgemeinen 
Wahl zu der vom Unterhaus gebilligten Politik ja oder nein zu sagen, 
diese Gelegenheit in der nächsten Woche geboten werden wird; es würde 
aber die reinste Fiktion sein, wenn man irgendwelchen Zweifel äußern 
würde, welche die wirkliche Entscheidung der Lords über die Vetobill 
sein wird. Im jetzigen Stadium der Angelegenheit handle es sich nicht 
um Amendements oder Umwandlungen, sondern um die Annahme oder 
Ablehnung des Ganzen. Wir haben es daher für unsere Pflicht gehalten, 
der Krone die Auflösung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, nämlich zu 
Anfang der übernächsten Woche anzuraten; wir sehen keinen Grund, warum 
dieser Tag nicht Montag der 28. November sein sollte. Die allgemeine 
Wahl kann zeitig vor Weihnachten beendet sein und wird daher nur eine 
ganz geringe Störung in den Interessen des Geschäftslebens und der all-
	        
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