Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

524 Großbritennien. (November 22.) 
Antwort. Die in Caxton Hall versammelten Frauenrechtlerinnen ziehen 
darauf unter Führung von Mrs. Pankhurst nach Downing Street, um die 
Amtswohnung des Premierministers zu zerstören. Mit dem Polizeiauf- 
gebot beginnen die Damen eine regelrechte Keilerei. Der vom Parlament 
heimkehrende Asquith wird von einer Suffragette tätlich angegriffen und 
durch die Polizei nur mit Mühe in einer Motordroschke gerettet. Auch 
der Unterrichtsminister Birrell wird durch Fußtritte und Huteintreiben 
verletzt. Den Ministern Grey, Churchill, Harcourt und Burns werden die 
Fenster eingeworfen. 156 Ruhestörerinnen werden verhaftet. 
22. November. Die persische Frage im Parlament. 
Im Unterhaus fragt Dillon den Staatssekretär des Auswärtigen 
Sir Edward Grey, ob er wisse, wann die russischen Truppen von Nord- 
persien zurückgezogen werden würden und welches die Gründe dafür seien, 
die russischen Truppen dort zu belassen. Sir Edward Grey erwiderte, die 
erste Frage müsse er verneinen. Was die zweite anlange, so wisse man, 
daß die russische Regierung zwar beabsichtige, die Truppen zurückzuziehen, 
aber nicht der Ansicht sei, daß die gegenwärtigen Zustände des Landes 
schon jetzt diesen Schritt rechtfertigen. Weiter fragte Dillon, welche Haltung 
die englische Regierung für den Fall einzunehmen beabsichtige, daß die 
persische Regierung es ablehnen sollte, ihre Einwilligung dazu zu geben, 
daß die Straßen im Süden von Truppen unter dem Befehl von englischen 
Offizieren bewacht würden. Grey erwiderte: Was bisher von der persischen 
Regierung verlangt worden sei, das sei, daß die Ordnung auf den Straßen 
von Buschir-Schiras-Ispahan wiederhergestellt werde und daß, wenn die 
persische Regierung nicht binnen drei Monaten imstande sei, persische 
Truppen für die Wiederherstellung der Ordnung zu organisieren, die acht 
oder zehn britischen Offiziere, die ihr von der britischen Regierung zur Ver- 
fügung gestellt, aber in persischen Diensten stehen würden, dafür verwende. 
„Wir haben“, fuhr Grey fort, „kein anderes Ziel, als daß die Ordnung 
von der persischen Regierung wiederhergestellt und aufrecht erhalten wird.“ 
Ich kann nicht glauben, daß die persische Regierung es auf unbeschränkte 
Zeit ablehnen wird, irgendwelche Maßregeln zu diesem Zweck zu treffen. 
Es wird verfrüht sein, schon jetzt zu sagen, welche Haltung die englische 
Regierung einnehmen wird, wenn die persische Regierung dies doch tun 
sollte. Wir haben der persischen Regierung im Sinne vorstehender Er- 
klärungen dringende Vorstellungen gemacht, aber darüber hinaus keinen 
Druck auf sie ausgeübt. 
Im Oberhaus fragt Lord Lamington, wie die Angelegenheit der 
persischen Anleihe von privaten Firmen stehe und ob Persien Anfang 1910 
daran verhindert worden sei, irgendwelche finanzielle Unterstützung dieser 
Art zu erhalten. Lord Herschell erwiderte namens des Auswärtigen 
Amts, die britische Regierung habe nicht den Wunsch, und wenn sie den 
Wunsch hegte, würde sie gar nicht dazu in der Lage sein, Persien an der 
Erlangung eines Darlehens von privaten Quellen zu hindern, wenn Persien 
dies anstrebe, immer vorausgesetzt, daß irgendeine solche Anleihe in keiner 
Weise die Sicherheiten nachteilig berühre, die für den Dienst der britisch- 
russischen Darlehen bereits vorbehalten seien. Was die Frage anlange, ob 
Persien darin gehindert worden sei, eine Anleihe von privaten Quellen 
im Anfang des Jahres zu erlangen, so habe ein gewisses Syndikat in London 
im März Vorschläge bezüglich einer Anleihe an Persien gemacht; aber zu 
der Zeit seien Verhandlungen im Gange gewesen betreffs eines gemein- 
schaftlichen Darlehens von der britischen und russischen Regierung an Persien. 
Die Zahlung von Zinsen auf englische Darlehen sei bedeutend im Verzuge.
	        
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