600 Kußland. (November 10.— Dezember 3.)
10. November. Der Appellhof verurteilt den Journalisten Baron
Ungern-Sternberg wegen Mitteilung eines Staatsgeheimnisses an eine
fremde Macht zu vier Jahren Zwangsarbeit. (Siehe 27. Juni.)
10. November. (Finnland.) Eine Adresse des französischen
Parlaments an die Duma „zugunsten der unverjährbaren Rechte
Finnlands“ wird im Wortlaut bekannt gemacht.
Sie ist von 120 Senatoren und 292 Deputierten unterzeichnet.
Eine grobe Antwort des Abg. Krupenski ist der Rücksendung beigefügt.
11. November. (Duma.) Der frühere Präsident Gutschkow,
der im Sommer sein Amt niedergelegt hatte, wird mit 201 gegen
137 Stimmen zum ersten Präsidenten wiedergewählt.
15. November. (Duma.) Beschimpfung Frankreichs.
Abg. Purischkewitsch sagte, Frankreich sei ein gottloses Land, das
von Gesindel regiert werde. Die Opposition beschwert sich, daß Präsident
Gutschkow ihren Einspruch gegen diese Beschimpfung einer befreundeten
Nation nicht zugelassen habe.
16. November. (Duma.) Der Antrag des Abgeordneten
Tschelyschow, daß die Lehre über die Schädlichkeit des Alkohol-=
genusses in das Unterrichtsprogramm aufgenommen werde, wird
angenommen.
16. November. (Zarskoje Selo.) Rückkehr der kaiserlichen
Familie aus Deutschland.
20. November. (Astapowo.) Leo Tolstoi f, 82 Jahre alt.
Erhatte sicham 10. November heimlich von seinem Gute Jaßnaja Poljana
entfernt, um den Rest seines Lebens in Armut und Einsamkeit zu verbringen.
21. November. (Duma.) Tolstois Andenken wird durch Er-
heben von den Sitzen und Unterbrechung der Verhandlungen auf
einen Tag geehrt.
22. November. (Petersburg.) Prozessionen zu Ehren des Be-
gräbnisses Leo Tolstois werden von der Polizei auseinandergetrieben.
25. November. (Duma.) Ehrung Tolstois.
Die Kadettenpartei beantragt den Ankauf des Gutes Jaßnaja Pol-
jana mit dem Grabhügel Tolstois sowie des Sterbehauses in Astapowo
durch den Staat und die Eröffnung einer nationalen Sammlung für ein
in Moskau zu errichtendes Tolstoi-Denkmal.
1. Dezember. Zum Gehilfen des Ministers des Auswärtigen
wird der Departementschef Neratow ernannt.
3. Dezember. (Petersburg.) Prozeß Leo Tolstois wegen
Gotteslästerung.
Tolstois Sohn Leo, der wegen Herausgabe der Werke seines Vaters
„Gott ist nicht in der Kraft, sondern in der Wahrheit“ und „Wieder-
herstellung der Hölle“ der Gotteslästerung angeklagt war, ist vom Bezirks-
gerichte freigesprochen worden.