Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Tũrkti. (Mai 15. 16.) 607 
Man war darauf um so weniger vorbereitet gewesen, als sich die Gilaner äußerst 
selten an den fast jeden Frühling wiederkehrenden Revolten der anderen 
Stämme beteiligt hatten. 
Nun galt es vor allem, alle Aufmerksamkeit auf die Räumung des 
Katschaniker Passes zu wenden. Schefket Torgut Pascha sammelte seine 
Truppen und bildete aus ihnen drei Kolonnen, deren schwächste den Bahn- 
weg nach Katschanik verfolgte, während eine zweite in westlicher Richtung, 
und die dritte und stärkste gegen Gilan zu vorging. Nur die letztere 
Kolonne kam ins Gefecht. Da sie von den am Wege liegenden Dörfern 
aus beschossen wurde, begann sie mit dem Bombardement dieser Ortschaften. 
Die im Engpaß liegenden Albanesen verließen, als sie den Kanonendonner 
vernahmen, ihre Position und eilten den Dörfern zu Hilfe. Die beiden 
ersten Kolonnen, die unmittelbar danach im Engpaß von Katschanik ein- 
trafen, konnten diesen ohne Flintenschuß besetzen und machten sich dann 
auf die Verfolgung der Rebellen und an die Räumung der Höhen zwischen 
Gilan und Katschanik. Bei dieser Gelegenheit wurden die Dörfer Kabasch, 
Nikoftze, Kobitza, Durna, Glawa durch Bombardement zerstört. Die Orte 
Smyra, Goschitza und Verbane waren, als die Truppen eintrafen, von der 
Einwohnerschaft bereits verlassen. 
Nun begann das Kesseltreiben gegen die Flüchtlinge, wobei es zu 
heftigen Kämpfen und auf beiden Seiten zu größeren Verlusten kam. Nach 
der Befestigung der Katschaniker Einfahrt kehrte das Hauptaquartier nach 
Feressowitsch zurück, um sich nunmehr mitl der Prisrender Straße zu be- 
schäftigen, da die Stadt Prisrend vom Ljuma--Stamm bedroht war. 
Im Morawatal bringt die glücklich zu Ende geführte Aktion täglich 
Gefangene ein, die vom Oberbefehlshaber persönlich verhört und dann dem 
Kriegsgericht vorgeführt werden. 
Auch bei Stimnia bewährte sich das kolonnenweise Vorgehen der 
Truppen. Während 14 Bataillone den Albanesen entgegengingen, die in 
sehr großer, wegen der verdeckenden Wälder aber genauer nicht feststellbarer 
Zahl im Passe lagen, umgingen vier Bataillone das Rebellenlager von der 
einen und eine zweite Abteilung von der anderen Seite. Eine weitere 
Abteilung rückte von Lipljan gegen den Drenitzafluß vor, fiel dem von dort 
gegen Stimnia ziehenden Führer Boletinatz in die Flanke und warf ihn 
zurück. Bei dieser Aktion wurden die Dörfer Tschernoljewa, Budakowo und 
Jesertze zerstört. Viele Albanesen fanden in verzweifelter Gegenwehr den 
Tod, während die Truppen wenig Verluste hatten. Nachdem die größte 
Mehrzahl der Aufständischen zerstreut war, zogen sich die beiden Führer, 
Hassan Hussein und Issa Boletinatz, mit dem Rest ihrer Leute, etwa 
3000 Mann, in das Drenitzatal zurück. 
15. Mai. (Kreta.) Mohammedaner in der Nationalver- 
sammlung. 
Die Konsuln erklärten den Führern der beiden Parteien und den 
Notabeln mündlich, daß, wenn den Mohammedanern nicht gestattet würde, 
Sitze in der Nationalversammlung einzunehmen, die Folgen für die Kreler 
sehr ernste sein würden. (Siehe 20. Mai.) 
16. Mai. (Senat.) Verfassung des Senats. 
Die Mehrheit hat die von der Kammer beschlossene Abänderung der 
Verfassung, wonach zwei Drittel der Senatoren gewählt werden sollen, 
verworfen und sich grundsätzlich dafür ausgesprochen, daß die Ernennung 
aller Senatoren durch den Sultan zu erfolgen habe.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.