608 Tũrkei. (Mai 16.—Juni 28.)
16. Mai. (Kammer.) Anrufung des Haager Schiedsgerichts.
Die Kammer stimmte dem zwischen der Pforte und der russischen
Regierung abgeschlossenen Kompromiß zu, nach dem der alte Streitfall
wegen Zahlung der Verzugszinsen für die an russische Privatleute aus dem
Kriege von 1877 verspätet entrichteten Indemnitäten dem Haager Schieds-
gericht unterbreitet werden soll. Die von den Russen verlangten Zinsen
betragen 950,000 Franken.
19. Mai. Die französisch-türkische Kommission unterzeichnet
ein Abkommen über die tunesisch-tripolitanische Grenze.
20. Mai. (Kreta.) Auf Antrag des Regierungschefs Veniselos
beschließt die Nationalversammlung, ihre mohammedanischen Mit-
glieder nicht mehr in den Sitzungen zuzulassen. (S. 15. Mai.)
1. Juni. (Kreta.) Die kretische Regierung antwortet auf
die Note der Konsuln, daß sie die moralische Unterstützung der
Schutzmächte zur Lösung der kretischen Frage erwarten müsse.
Kreta könne außerhalb der griechischen Staatseinrichtungen nicht
bestehen, ein hellenisches Regime sei das allein mögliche.
2. Juni. (Kammer.) Monopol in Kleinasien.
Infolge der Proteste mehrerer Mächte gegen das amerikanische
Projekt des Admiral Chester, das u. a. das Minenmonopol in Kleinasien
enthält, wird die ganze Angelegenheit an eine Spezialkommission verwiesen,
obgleich die Kammer schon die Genehmigung erteilt hatte.
6. Juni. (Konstantinopel.) Besuch des Khediven von
Egypten beim Sultan.
7. Juni. Der griechische Gesandte beschwert sich beim Groß-
wesir über den Boykott gegen den griechischen Handel.
8. Juni. Auf Befehl aus Konstantinopel weigern sich die
Postämter in Mazedonien, Briefe oder andere Postsendungen aus
Griechenland entgegenzunehmen oder dorthin zu expedieren.
10. Juni. Achmed Samim-Bei, Chefredaktenr des oppositio-
nellen Blattes „Sadai Milet“, wird ermordet und auf Befehl der
Regierung in aller Stille beerdigt.
Als Mörder wird der Hauptmann Halil Bei verhaftet.
27. Juni. In Albanien wird die Bevölkerung aufgefordert,
sämtliche Waffen binnen 3 Tagen abzuliefern.
W. Juni. (Konstantinopel.) Patriarch und Sultan.
Der ökumenische Patriarch, begleitet von drei Bischöfen, begab sich
in den Palast, um gegen das Gesetz über die Kirchen in Mazedonien
Protest zu erheben. Der Sultan lehnte den Empfang des Patriarchen ab
und ließ ihm sein Bedauern ausdrücken, an dem Votum des Parlaments
keine Aenderung vornehmen zu können. Der Patriarch kündigte im Falle
der Veröffentlichung des Gesetzes seine Demission an, weil dasselbe der
griechischen Nation die durch Mohammed den Eroberer sowie den Khalifen
Omar el Katab verliehenen Privilegien aufhebt.