Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Türkei. (September 15.—Oktober 27.) 611 
Der in Paris abzuschließenden Anleihe über 150 Millionen Franken 
verweigert die französische Regierung die Zulassung zum Börsenhandel, 
weil der Finanzminister Dschavid Bei die daran geknüpften politischen 
Bedingungen, die den französischen Vertretern im Finanzamt und bei der 
„Banque ottomane“ eine Kontrolle über das türkische Budget verschaffen 
würden, nicht annehmen will. 
15. September. Die Regierung schließt einen Vertrag mit 
dem Generaldirektor der anatolischen Eisenbahnen Kautz über die 
Vorarbeiten zur Bewässerung der Ebene Adana. 
Mitte September. Eine angebliche Militärkonvention mit 
Rumänien wird von der Regierung auf das entschiedenste in Ab- 
rede gestellt. 
Nach Pariser und Londoner Preßstimmen soll sie die beiden Balkan- 
staaten zum Anhängsel des Dreibundes machen. 
22. September. Englische Intervention gegen eine Anleihe 
in London. 
Die türkischen Unterhändler begeben sich von Paris nach London, 
um die geplante Anleihe mit einem englischen Syndikat unter Führung 
von Sir Ernest Cassel und seiner „National Bank of Turkey“ durch- 
zuführen. Aus Rücksicht auf die französische Politik bestimmt die Regie- 
rung die englischen Finanzleute, von den aussichtsvollen Unterhandlungen 
zurückzutreten. Nur die „Daily Mail“" und ähnliche chauvinistische Blätter 
billigen die Intervention. 
W. September. Die deutsche Bank bietet der Regierung einen 
Vorschuß von 120 Millionen Mark bis zum Zustandekommen der 
Anleihe an. 
1. Oktober. Generaloberst Frhr. v. d. Goltz trifft zur Teil- 
nahme an den Manövern bei Adrianopel ein. 
8. Oktober. über Saloniki wird zur Durchführung der Ent- 
waffnung der Belagerungszustand verhängt. 
9. Oktober. Aus Anlaß des Bairamfestes begnadigt der Sultan 
etwa 70 der wegen der Gemetzel in Adana Verurteilten. 
WB. Oktober. (Konstantinopel.) Panislamismus. 
Eine türkisch-persische Protestversammlung gegen das Vorgehen Ruß- 
lands und Englands in Persien beschließt ein Danktelegramm an den 
Deutschen Kaiser als den treuesten Beschützer des Islam, der gebeten 
werden soll, seine Hand auch über Persien zu halten. Das Telegramm 
erinnert auch an die Dankbarkeit der Islamwelt für die Handlungen des 
Kaisers in den mazedonischen und marokkanischen Fragen. 
27. Oktober. Der Finanzminister Dschavid Bey beginnt Ver- 
handlungen mit der Deutschen Bank über eine Anleihe von 
11 Millionen Pfund. 
27. Oktober. Die Behörden werden angewiesen, die in der 
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