Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Serbien. (Juni 29. — Dezember 29.) 623 
29. Juni. Strafversetzung des Gesandten in Petersburg Michael 
Poppowitsch nach Athen. 
Die Ursache wird darin gefunden, daß der Zar beim Festmahl zu 
Ehren König Peters den ihm vom König Alexander verliehenen serbischen 
Orden vom „Weißen Adler“ getragen hat und nicht den von König Peter 
gestifteten Stern Kara Georgs, der auch den Mördern des Königs Alexander 
verliehen worden war. 
12. September. (Belgrad.) Dem von einer zweimonatigen 
Kur in Vichy und Ostende zurückkehrenden Prinzen Georg bereiten 
seine Anhänger vor dem Bahnhof lebhafte Ovationen. 
“ 19. September. Unterzeichnung des Handelsvertrages mit 
Osterreich-Ungarn. 
30. September. Um Zwischenfälle an der serbisch-bosnischen 
Drinagrenze zu vermeiden, beschließt die Regierung, die Entscheidung 
eines internationalen Schiedsgerichtes anzurufen. 
3. November. Das Ministerium macht bekannt, daß auch 
die ungarische Regierung den Paßzwang für Reisende nach Serbien 
aufgehoben habe. 
9. November. (Belgrad.) Der Fälscher der im Friedjung- 
Prozeß vorgelegten Dokumente. 
Wladimir Vasitsch stellt sich der Polizei mit der Selbstanklage, der 
österreichisch-ungarischen Gesandtschaft gefälschte Dokumente für den Fried- 
jung-Prozeß geliefert zu haben. (Siehe Oesterreich-Ungarn 18. und 22. De- 
zember 1909!) Er habe auf Wunsch des Gesandten Grafen Forgatsch, 
sowie des Hauptmanns v. Swientochowski und der Gesandtschaftssekretäre 
Gautsch und Franz falsche Dokumente hergestellt. Der Text der Schrift- 
stücke sei ihm von Swientochowski, der von allen Beamten der Gesandt- 
schaft die serbische Sprache am besten beherrsche, in die Feder diktiert 
worden. Einzelne Dokumente habe er im Auftrage der Herren von der 
österreichisch ungarischen Gesandtschaft in mehreren Exemplaren herstellen 
müssen, die dann zur Versendung gelangten. 
6. Dezember. Vasitsch wird vom Gericht als Betrüger bestraft. 
Er ist mit dem ehemaligen Sitzredakteur des antidynastischen 
„Narodni List“ identisch und heißt in Wirklichkeit Seremanin. Außerdem 
wird eine Untersuchung wegen Hochverrats gegen ihn eingeleitet. Am 
23. Dezember erfolgt seine Verurteilung zu fünf Jahren Zuchthaus, weil 
er Beziehungen zu einer fremden Mission unterhielt und an der Fälschung 
von Dokumenten teilnahm, die den serbischen Staat schädigen sollten. 
29. Dezember. Die Skupschtina nimmt den Handelsvertrag 
mit Osterreich--Ungarn an.
	        
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