J.
Das Deutsche Reich und seine einzelnen
Glieder.
1. Januar. Glückwunschaustausch mit dem Präsidenten der
Vereinigten Staaten.
Kaiser Wilhelm richtete an Präsident Taft zum Jahreswechsel
folgendes Telegramm: „Ihnen und dem amerikanischen Volke meine besten
Wünsche für ein glückliches Neujahr!“ — Präsident Taft erwiderte:
„In voller Würdigung und Erwiderung der mir übermittelten freundlichen
Wünsche Eurer Majestät wünsche ich Ihnen und dem deutschen Volke für
das kommende Jahr Gesundheit und Wohlergehen."“
1. Januar. Der Kaiser gibt die Verlobung des Prinzen
Friedrich Wilhelm von Preußen, dritten Sohnes des verstorbenen
Prinzen Albrecht, mit Prinzessin Agathe von Ratibor und Corvey,
der ältesten Tochter des Herzogs Viktor von Ratibor, bekannt. Die
Braut ist Katholikin.
3. Janugr. Kompetenz deutscher Gerichte zur Be-
schlagnahme russischer Staatsgelder?
Es wird ein Schreiben des Staatssekretärs v. Schoen an das Amts-
gericht Berlin Mitte bekannt gemacht, worin gegen die Beschlagnahme
russischer Guthaben bei dem Bankhause Mendelsohn & Cie. der Kompetenz-
konflikt erhoben wird. In der Begründung wird einerseits ausgeführt,
daß durch die Widerklage des Hauptmanns a. D. Alfred v. Hellfeld in dem
gegen ihn von der russischen Regierung angestrengten Prozeß vor dem
kaiserlichen Gericht in Tsingtau trotz des Stillschweigens des Vertreters der
russischen Regierung nach völkerrechtlichen Grundsätzen eine Gerichtsbarkeit
gegenüber dem russischen Fiskus nicht geschaffen wird. Andererseits sei
aber auch selbst nach erfolgtem rechtskräftigen Urteil eine gerichtliche Zwangs-
vollstreckung an dem im Juland befindlichen Vermögen eines fremden Staates
unzulässig. Es bleibe also nichts übrig, als solche Ansprüche gegen fremde
Regierungen durch die diplomatische Vermittlung des Auswärtigen Amtes
geltend zu machen.
3. Januar. (Berlin.) Parteitag der Sozialdemokraten
Preußens.
Im Gewerkschaftshaus werden die Wahlrechtsdemonstrationen vom
Januar 1909 als Veranstaltungen des preußischen Landesvorstandes gerühmt.
Der Landtagsabgeordnete Paul Hirsch (Berlin! fordert als Kommunal=
programm für Preußen das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahl-
recht bei den Stadtverordnetenwahlen, die Einschränkung des staatlichen
Aufsichtsrechts und Uebertragung der Ortspolizei auf die Gemeinden.
Europäischer Geschichtskalender. Ul. 1