Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder ( Januar 10.) 3
überschuß so günstig entwickelt, daß die Rechnung mit einem weit geringeren
Fehlbetrage abgeschlossen hat, als im Etat veranschlagt war. Dank dieser
günstigen Entwicklung, die sich im laufenden Etatsjahre fortgesetzt hat,
konnten die Staatseinnahmen für das Rechnungsjahr 1911 entsprechend
höher veranschlagt werden. Gleichwohl reichen diese Mittel zur Deckung
des Ausgabebedarfs nicht aus. Dabei ist indessen zu beachten, daß die im
vorigen Jahre beschlossene Neuordnung des Eisenbahnetats den für 1911
veranschlagten Reinüberschuß der Staatseisenbahnen nicht mehr voll für
allgemeine Staatsausgaben bereitstellt. Der Etat schließt daher wiederum
mit einem, wenn auch geringeren Fehlbetrage ab, der jedoch hinter der
zur Auffüllung des Ausgleichsfonds der Eisenbahnverwaltung vorgesehenen
Summe noch zurückbleibt. Ein Gesetzentwurf über die Bildung von Zweck-
verbänden ist bereits ausgearbeitet worden.
Die Entwicklung Berlins und der umliegenden Gemeinden und Land-
kreise hat besonders auf den Gebieten des Verkehrs und der Bebauung
eine Interessengemeinschaft herbeigeführt, die dringend der Organisation
bedarf. Es soll daher durch eine Gesetzesvorlage für das Bahn-- und
Baufluchtwesen, sowie zur Erhaltung eines Wald- und Wiesengürtels ein
Verband Groß-Berlin auf der Grundlage freier Selbstverwaltung geschaffen
werden.
Der in der vorigen Session unerledigt gebliebene Entwurf einer
Novelle zu der rheinischen Gemeindeordnung ist Ihnen wiederum zu-
gegangen.
Die zur Vorbereitung der Verwaltungsreform berufene Immediat-
kommission hat die ihr obliegenden Arbeiten zu fördern gesucht. Auf Grund
ihrer Tätigkeit ist zunächst eine vereinfachte Geschäftsordnung für die
Regierungen erlassen worden. Einem weiteren Vorschlage der Kommission
entsprechend, wird Ihnen voraussichtlich noch in der laufenden Tagung
ein Gesetzentwurf vorgelegt werden können, der die Rechnungsprüfung durch
die Oberrechnungskammer vereinfachen soll.
Das aus wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnissen erwachsene Werk
der inneren Kolonisation schreitet fort. Unter Aufwendung erheblicher
Staatsmittel sind neuerdings auch in den Provinzen Brandenburg und
Pommern gemeinnützige Organisationen geschaffen worden, die sich die
Vermehrung des bäuerlichen Besitzes und die Seßhaftmachung von Arbeitern
zur Aufsgabe stellen. Um die körperlichen und sittlichen Kräfte der schul-
entlassenen Jugend zu entwickeln und für das Leben zu festigen, hat sich
die Staatsregierung entschlossen, eine planmäßige Ausgestaltung der Jugend-
pflege einzuleiten. Zur Durchführung dieser Aufgabe sind im Staats-
baushaltsetat für 1911 besondere Mittel vorgesehen. Dem gleichen Zwecke
wird die weitere Ausgestaltung des Fortbildungswesens dienen, das die
wirtschaftliche Förderung des heranwachsenden Geschlechts zum Ausgangs-
vunkt für seine sittliche Erziehung nimmt. Ein Gesetz, durch das die Er-
richtung von Pflichtfortbildungsschulen für die männliche Jugend in den
Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern sichergestellt werden soll, wird
Ihnen demnächst zugehen.
Der in der vorigen Tagung des Landtages nicht erledigte Entwurf
über die Verpflichtung zum Besuch ländlicher Fortbildungsschulen in den
Provinzen Brandenburg, Pommern, Sachsen und Westfalen, in der Rhein-
provinz und den hohenzollernschen Landen wird Ihnen erneut zur Beschluß-
fassung vorgelegt werden; ein weiteres gleichartiges Gesetz für Schleswig-
Holstein ist in Aussicht genommen.
Die „Kölnische Zeitung“ fällt darüber das Urteil: „In Preußen
kann man nie hoffnungsarm genug sein.“ Sie bemängelt, daß in der
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