412 Frankreich. (März 21.—25.)
sterbende Nation. Man solle vielmehr wissen, daß Frankreich heute eine
innerlich feste und kräftige Nation sei.
21. März. (Kammer.) Der neugeschaffene Posten eines
Unterstaatssekretärs der Justiz wird mit 363 gegen 103 Stimmen
angenommen.
21. März. (Kammer.) Mit 450 gegen 77 Stimmen werden
die für die militärischen Operationen in Marokko für das Finanz-
jahr 1910 angeforderten Ergänzungskredite im Betrage von
1528782 Franken angenommen.
23. März. (Kammer.) Bericht des Budgetausschusses über
die Ngoko-Shanga-Affäre.
Das sehr umfangreiche Schriftstück enthält starke Angriffe gegen die
Ngoko-Shangha-Gesellschaft, deren Vorgehen zur Erlangung eines Schaden-
ersatzes wegen des ihr angeblich von der deutschen Südkamerungesellschaft
zugefügten Nachteils lebhaft getadelt wird. Sehr streng wird insbesondere
das Verhalten des Präsidenten der Ngoko-Sangha-Gesellschaft sowie die
Rolle kritisiert, die der „Temps“ und mehrere andere Pariser Blätter in
der Angelegenheit gespielt haben. U. a. wird ein Berliner Telegramm des
„Temps“ vom März 1908 zitiert, in dem es heißt, daß die französische
und die deutsche Regierung behufs Erleichterung der Verhandlungen über
die Abgrenzung von Kamerun und Französisch-Kongo gegenseitig auf
Entschädigungsansprüche wegen Grenzverletzung verzichtet und die Rekla-
mationen ihrer Staatsangehörigen zu eigenen Lasten übernommen haben.
Der Botschafter Cambon habe damals den Minister Pichon vor den in
verschiedenen Pariser Blättern veröffentlichten Artikeln gewarnt und mit-
geteilt, der Berliner Korrespondent einer dieser Zeitungen habe kein Hehl
daraus gemacht, daß diese Artikel lediglich einen Versuch der Ngoko-
Sangha--Gesellschaft darstellten, eine Verlängerung und Vergrößerung ihrer
Konzessionen durchzusetzen. Der Bericht schließt mit der seinerzeit mit-
geteilten Resolution des Budgetausschusses, in der unter Hinweis auf die
zweifellos begangenen Unregelmäßigkeiten erstens betont betont, daß es den
Ministern untersagt sei, sich auf ein schiedsgerichtliches Verfahren einzulassen
und zweitens verlangt wird, daß für die Bildung des französisch--deutschen
Ronsortiums die Zustimmung des Parlaments verlangt werde.
24. März. (Senat.) Bei der Präsidentenwahl fallen von
160 abgegebenen Stimmen 143 auf Jean Dupuy.
25. Mai. Der Afrikareisende de Segonzac veröffentlicht im
„Echo de Paris“ seine Auffassung über die politische Lage in Marokko.
Danach ist das ganze marokkanische Kaiserreich eine einfache Erfindung
europäischer Geographen. „Es gibt“", versichert er, „in Marokko nichts,
was man ein Reich nennen könnte. Dort liegt ein Gebiet, in dem räuberische
Stämme, vollkommen unbeengt, ohne Gliederung und staatliche Bande,
umherschweifen und ihre kriegerischen Neigungen in ununterbrochenen Raub-
zügen zu befriedigen suchen. Der Maghzen stellt nur einen Räuberstamm
neben dem andern dar und seine einzige Aufgabe ist, unter dem Vorwande
der Erhebung von Steuern der Reihe nach die anderen zu plündern, soweit
sie sich dies gefallen lassen. Erst durch die Unterstützung, die sie dem
angeblichen Sultan von Marokko angedeihen lassen, geben die europäischen