Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

414 Fraukreiq. (April 11. - Mai 1.) 
deutschen Reichskanzlers Bethmann Hollweg. Erlauben Sie auch mir, einen 
Auszug daraus zu zitieren. Deutschland hat nicht nötig, erklärt der 
Kanzler, über die Politik, die es seit 40 Jahren befolgt, vage Erklärungen 
abzugeben. Es hat bewiesen, daß es mit niemand Streit sucht. Das, was der 
Kanzler von Deutschland gesagt hat, läßt sich auf die französische Republik 
anwenden. (Sehr gut!) Wir haben die Pflicht, mit Deutschland Beziehungen 
zu unterhalten, wie sie zwischen zwei großen benachbarten Nationen bestehen 
müssen. Wir haben an gewissen Punkten gemeinsame Interessen zu wahren 
und werden dabei stets mit gutem Willen vorgehen. Wenn vielleicht die 
Interessen der beiden Länder einander entgegengesetzt sein sollten, werden 
wir diejenigen Frankreichs mit fester Loyalität und im Geiste der Gerechtigkeit 
wahrnehmen, wodurch, wie ich glaube, gefährliche Mißverständnisse ver- 
mieden werden. 
11. April. Im Ministerium des Auswärtigen werden Unter- 
schleife in Höhe von 400000 Franken nachgewiesen. Der Direktor 
der Kassenabteilung Hamon wird seines Amtes entsetzt. 
12. April. Winzeraufstände in der Champagne. 
Da ein Senatsbeschluß die Abgrenzung der Weinbaubezirke wieder 
aufhebt, so vereinigen sich die Weinbauern zur Zerstörung derjenigen 
Champagnerfabriken, die das Gewächs anderer Gegenden verarbeiten. In 
Epernay, Ay und anderen Städten des Marne-Departements werden 
Petroleumbomben geworfen, Barrikaden gebaut, Weinstöcke und Häuser 
angezündet und Möbel zerschlagen. 40 Winzer werden verhaftet. 
12. April. (Kammer.) Üüber eine Interpellation betr. die 
Haltung der Regierung bei der Abgrenzung der Weinbaubezirke 
wird mit 226 gegen 97 Stimmen zur Tagesordnung übergegangen. 
22. April. Auf Antrag des Kriegsministers beschließt der 
Ministerrat, Truppenverstärkungen nach Casablanca zu senden, damit 
die Besatzung der Schauja durch die Expedition nach Rabat und 
Fez nicht dauernd vermindert würde. 
Man rechnet auf 10000 bis 12000 Mann und 1500 Neger, so daß 
General Moinier im ganzen 23000 Mann zur Verfügung haben soll. 
24. April. Eine Erklärung über die Marokkopolitik. 
Durch einen Artikel im „Matin“ versichert die Regierung: 
„Frankreich hege keine Eroberungsgedanken und wünsche nur, daß in 
Marokko Ruhe und Wohlfahrt herrsche. Unsere Offiziere und Soldaten 
bleiben nicht in Fez, sie werden die Stadt verlassen, sobald das angestrebte 
Ziel erreicht ist.“ 
26. April. Die Signatarmächte werden von der französischen 
Aksicht eines konzentrischen Vormarsches auf Fez verständigt. 
30. April. (Paris.) Rückkehr des Präfidenten Fallidres 
aus Tunis. 
1. Mai. (Paris.) Bei der Maifeier kommt es zu ziemlich 
heftigen Zusammenstößen der Arbeiter mit der Polizei und der 
aufgebotenen Kavallerie. 80 Manifestanten, 25 Soldaten, 9 Poli- 
zisten und 2 Polizeioffiziere werden erheblich verwundet.
	        
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