F##oich. (Mai 30.— Juni 8.) 417
Abmachungen schnurstracks zuwiderlaufen würde. Sie antwortete deshalb
auf das Gesuch El Mokris außerordentlich ausweichend. Die Haltung der
heutigen Regierung ist in diesem Punkte genau dieselbe wie die ihrer Vor-
gängerin. Auch für Herrn Cruppi bleibt der Algecirasvertrag die Grundlage
der französischen Marokkopolitik. Was Mulay Hafids Verlangen betrifft,
die Zahl der franzäösischen Truppen in Marokko auf 50000 zu bringen,
so ist es fast überflüssig zu sagen, daß man ihm nicht entsprechen wird.“
Der Pariser Vertreter Mulay Hafids, El Mokri, läßt durch die
Agence Havas erklären, daß sein Herr ein solches Ersuchen an Frankreich
nicht gestellt habe, sondern daß er die Absicht habe, auf dem Boden des
Algecirasvertrages zu bleiben, ebenso wie Frankreich übrigens, dessen Re-
gierung immer erklärt hat, diesem Vertrage treu zu bleiben.
30. Mai. Zum Generalstabschef ist an Stelle des in den
Obersten Kriegsrat berufenen Generals Laffon de Ladébat General
Dubail ernannt worden.
31. Mai. Konflikt innerhalb des Ministeriums.
Marineminister Delcassé tadelte vor den übrigen Ministerkollegen
die Politik des Ministers des Auswärtigen Cruppi in schärfster Form und
warf Cruppi vor, zu rasch den Forderungen der diplomatischen Vertreter
Franrreichs gefolgt zu sein, die den Einmarsch der Truppen in Fez ver-
angten.
1. Juni. (Paris.) Urteil wegen des Depeschendiebstahls im
Auswärtigen Amt.
Das Zuchtpolizeigericht verurteilte Ronet und Maimon wegen Spio-
nage zu zwei Jahren Gefängnis und 1000 Franks Geldstrafe, Palliez zu
drei Monaten Gefängnis. In der Begründung des Urteils heißt es u. a.:
Wenn auch nicht jedes diplomatische Schriftstück grundsätzlich als vertraulich
angesehen werden könne, so enthalten doch mehrere von Rouet an Maimon
ausgelieferte Schriftstücke Kritiken, die französische Diplomaten an aus-
ländischen Persönlichkeiten oder Regierungen geübt haben, ferner vertrau-
liche Mitteilungen, Darlegungen über die Bestrebungen gewisser Regierungen
sowie den diplomatischen Agenten vom Quai d'Orsay erteilte geheime
Weisungen, also Schriftstücke, deren Veröffentlichung die Unternehmungen der
französischen Regierung erschweren oder behindern konnten. (Vgl. 6. April.)
4. Juni. (Rouen.) Tausendjahrfeier der Normandie seit
der Erlangung der Herzogswürde Rollos.
Viele Gelehrte Norwegens und einige Professoren aus Breslau
nehmen teil.
7. Juni. (Neuilly bei Paris.) Der frühere Ministerpräsident
Maurice Rouvier f. 69 Jahre alt.
8. Juni. Das Ministerium erlangt ein Vertrauensvotum
in der Frage der Abgrenzung der Champagne.
Nach der geschickten Verteidigung durch den Finan zminister Caillaux
und die Vermittlung des Abg. Jaures wird die einfache Tagesordnung
mit 113 Stimmenmehrheit angenommen. Die Regierung wird dadurch
antorisiert, ein Dekret zu veröffentlichen, das die Bezeichnung Champagner
den Weinen vorbehält, die aus den bereits abgegrenzten Gebieten der Cham-
pagne stammen, und das ein mit Champagne zweiter Zone bezeichnetes
Enropaischer Geschichtskalender. LII. 27
