Erankreiq. (November 11.—14.) 441
11. November. Der „Temps“ über die deutschen Reichstags-
verhandlungen betr. das Marokkoabkommen.
Selten ist der Haß gegen England so offen zum Ausdruck gekommen,
selten haben die Pessimisten ihre Kritik so scharf geäußert. Dieses innere
Unbehagen kann, falls es zunimmt, für ganz Europa beunruhigend werden.
Mit Vergnügen kann man feststellen, daß trotz dieser Nervosität kein ein-
ziger Redner ein für Frankreich verletzendes oder auch nur unangenehmes
Wort ausgesprochen hat.
11. November. Reorganisation des Auswärtigen Amts.
Im Ministerrat teilte Minister de Selves mit, daß er beschlossen
habe, den Dienst im Ministerium des Aeußern zu reorganisieren, der ihn
über die Vorstellungen, die bei Spanien im Augenblicke der Besetzung von
Larrasch und Elksar erhoben worden seien, nicht unterrichtet habe. Dieser
Fehler hinderte den Minister, die Kommission für auswärtige Angelegen-
heiten in der Sitzung vom Donnerstag genau zu informieren, und machte
die gestrige Mitteilung notwendig. Der Direktor der politischen Angelegen-
heiten Bapst habe sein Abschiedsgesuch eingereicht, der Botschafter in Peters-
burg Louis sei vorläufig mit seiner Vertretung beauftragt. Im besondern
hat die Untersuchung ergeben: Die marokkanischen Angelegenheiten wurden
seit Jahr und Tag ausschließlich vom Vorsteher des Sekretariats im Ein-
verständnis mit dem Gesandten in Tanger Herrn Regnault bearbeitet und
weder der Minister noch selbst der Vorsteher der politischen Abteilung oder
sein stellvertretender Vizedirektor erhielten Mitteilung über die laufenden
Arbeiten. So konnte es geschehen, daß die höchsten Beamten des Mini-
steriums und der Minister des Auswärtigen selbst von den diplomatischen
Noten Spaniens aus Anlaß seines Vorstoßes gegen Larrasch und Alkassar
Lae von den Antworten des hiesigen Auswärtigen Amtes keine Kenntnis
atten.
13. November. (Paris.) Gegen die antimilitaristische Be-
wegung.
Da die Vereinigung „Le Sou du Soldat" die Sendungen von Geld
und aufrührerischen Rundschreiben an Soldaten fortgesetzt hat, wurde gegen
elf Mitglieder des Arbeitssyndikats die strafrechtliche Verfolgung wegen
Aufreizung von Soldaten zum Ungehorsam eingeleitet.
14. November. (Paris.) Zusammengehen der deutschen und
französischen Interessenten in Marokko.
Zwischen dem Marokko-Minensyndikat (Mannesmann) und der
französischen Union des Mines ist ein Abkommen zur Fusionierung
ihrer gesellschaftlichen Interessen in Marokko auf paritätischer Grundlage
unterzeichnet worden. Beide Teile werfen ihre bergbaulichen Anrechte und
Ansprüche in Marokko ein. In der neuen Gesellschaft sind die Brüder
Mannesmann und die Union des Mines je mit 40 Prozent beteiligt. Zur
Uebernahme der restlichen 20 Prozent haben sich französische Banken bereit
erklärt. Durch besondere Abmachung ist den deutschen Abnehmern ein
Vorzugsrecht auf 40 Prozent der Eisenerzausbeute gesichert.
14. November. Zur Vorgeschichte der Lloyd George-Rede.
Gegenüber der Behauptung der Wiener „Zeit“, daß England nach
dem Eintreffen des „Panther“ vor Agadir in Berlin Aufklärung verlangt
und die Absendung eines Ultimatums in Aussicht genommen habe, erfährt
der „Matin“ zuverlässig aus London, daß die Dinge nicht so weit gediehen