Framreich. (November 25., 28.) 43
keinen Aufschub dulde und warf dem Minister vor, er habe deutsch-fran-
ösische Verhandlungen gepflogen, ohne in die spanischen Dokumente Ein-
sich genommen zu haben. (Lärm.) Bouge gab der Befürchtung Ausdruck,
daß de Selves weder im Lande noch im Auslande die nötige Autorität
besitze. Der Minister antwortete hierauf, die Kammer werde binnen
kurzem zu den Debatten über das deutsch-französische Uebereinkommen zu-
sammentreten und Gelegenheit haben, es zu sagen, wenn sie kein Vertrauen
zu ihm hege. Caillaux richtete das Ersuchen an die Kammer, sie möge
die Beratung der Interpellation mit der Debatte über die auswärtige
Politik verbinden. Er werde dies als einen Ausdruck des Vertrauens an-
sehen. Die Kammer beschloß mit 374 gegen 145 Stimmen, die Besprechung
der Interpellation zu vertagen.
25. November. Zum englisch-französischen Geheimvertrag (siehe
Anhang: Allgemeines. Kongresse. Enthüllungen, 24. November).
Der Deputierte Graf de Mun berichtet dem Echo de Paris, der
französisch-englische Geheimvertrag von 1904 habe im Kammerausschuß
für auswärtige Angelegenheiten große Verblüffung hervorgerufen, ins-
besondere der Artikel 3, durch welchen die Verwaltung der marokkanischen
Küste von Melilla bis zum rechten Sebu-Ufer den Spaniern anvertraut
werden soll. Man begreife jetzt, warum Frankreich gezögert habe, dem
englischen Auswärtigen Amt die erläuternden Briefe zu übermitteln, in welchen
die deutsche Regierung Frankreichs Protektorat über ganz Marokko bis zum
Rio de Oro anerkenne.
W. November. (Paris.) Baron Gustav v. Rothschild z im
83. Lebensjahre.
28. November. (Kammer.) Die Kommission für auswärtige
Angelegenheiten beschließt mit 15 gegen 2 Stimmen die Ratifikation
des deutsch-französischen Abkommens über Marokko und Kongo.
W. November. (Paris.) Versteigerung der Juwelen des
Exsultans Abdul Hamid.
Der Gesamterlös beläuft sich auf fast 7 Millionen Franks.
28. November. (Paris.) Das Echo der Rede Greys in
der Presse.
Der „Temps“ schreibt: „Wir können mit dem englischen Minister
wiederholen, daß die Politik der Entente cordiale keine Spitze gegen Deutsch-
land hat. Frankreich, das vier Monate für eine Verständigung mit Deutsch-
land geopfert hat, kann ein Wiederaufleben der englisch-deutschen Schwierig-
keiten, in die es hineingezogen würde, nicht wünschen. Wir haben der
Erhaltung der europäischen Eintracht zu viele Opfer gebracht, als daß wir
dem Verdacht ausgesetzt sein sollten, diese Eintracht durch die Förderung
von Streitigkeiten Dritter stören zu wollen.“ — „Journal des Déöbats“
meint: „nach der Rede Greys wird es hoffentlich in Frankreich keinen An-
hänger des Schaukelsystems zwischen Deutschland und England mehr geben,
denn diese sind unbewußte Helfer jener ausländischen Staatsmänner, die
Frankreich zu einer Macht dritten Ranges herabdrücken wollen.“ — Die
nationalistische „Patrie“ schreibt: „Der allgemeine Ton der Rede Greys
ruft den Eindruck hervor, daß England sich Deutschland zu nähern sucht.
Die Engländer sind, bevor sie unsere Freunde sind, zuvor eher Freunde