Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

444 Frankreich. (November 30.—Dezember 14.) 
der Spanier und Anwärter auf die deutsche Freundschaft. Die Entente 
cordiale ist tot.“ 
30. November. Unter den Bewerbern um die Kriegsdenk- 
münze von 1870, weil sie als Freiwillige unter den franzöfischen 
Fahnen mitgefochten haben, finden sich auch 211 Preußen, 167 
Bayern u. a. 
2. Dezember. Die Pulver-Misere. 
Nach dem „Matin“ ist bei der im Auftrage Delcassés angestellten 
Untersuchung über das Pulver der Marinearsenale festgestellt worden, 
daß die das Datum 1908 tragenden Pulvervorräte in Wirklichkeit aus den 
Jahren 1895 und 1896 stammen. Das Blatt verlangt die strafrechtliche 
Verfolgung der schuldtragenden Ingenieure. 
11. Dezember. (Kammer.) Das gefährliche Pulver. 
Bei der Debatte des Marinebudgets erklärte Delcassé, er habe 
das vor dem Jahre 1907 hergestellte Pulver ausschiffen und in den Feuer- 
werkslaboratorien lagern lassen, damit man es beim Eintreten ernster Ereignisse 
wiedereinschiffen könne. Gegenwärtig seien die Chefs der drei Geschwader 
einig in der Meinung, daß keine Notwendigkeit für die Ausschiffung von 
Pulver vorliege. Er habe mit dem Obersten Marinerat über die Frage 
beraten und könne erklären, daß Frankreich nicht entwaffnet sei. 
11. Dezember. Politische überwachung des Offizierkorps. 
Der Kriegsminister Messimy erläßt in einem Rundschreiben 
an die Präfekten neue Verfügungen für die Berichte, die von den 
Präfekten über die Haltung der Offiziere zu erstatten sind. In Zukunft 
haben die Präfekten halbjährlich einen eingehenden Bericht über die Offiziere 
einzureichen, die durch Handlungen in der Oeffentlichkeit oder ihre allgemein 
bekannte Haltung einen Mangel an korrektem politischen Empfinden und an 
der Loyalität gezeigt haben sollten, die die Regierung der Republik von 
ihnen zu verlangen berechtigt ist. Diese Berichte werden den Beteiligten 
auf ihr Verlangen mitgeteilt werden. 
14. Dezember. (Kammer.) Debatte über das Marokko- 
abkommen. Erster Teil. 
Graf de Mun begründet seinen Antrag, die Ratifizierung bis 
nach Abschluß der französisch-spanischen Verhandlungen aufzuschieben. Er 
betont, daß das Abkommen Deutschland einen Teil des französischen 
Territoriums überlasse. Es sei nicht das erstemal, daß Frankreich ein der- 
artiges Unglück zustoße. Das Abkommen öffne Deutschland die Tore zum 
Innern Afrikas. Die Erklärungen des Ministerpräsidenten Caillaux und 
des Staatssekretärs v. Kiderlen-Wächter ließen noch tiefergehende Um- 
gestaltungen Afrikas voraussehen; die Regierung werde darüber Erklärungen 
abgeben müssen. Der Redner fährt fort: „In den französisch-spanischen 
Verhandlungen sind wir auf England gestoßen. Frankreich hat nicht mehr 
Gründe als England, eine alte Freundschaft zu vergessen. Bei dem gegen- 
wärtigen Stande Europas hat weder der eine noch der andere eine Freund- 
schaft zuviel. (Lebh. Beifall, die Minister applaudieren.) In keinem Augen- 
blicke war die Lage bedrohlicher. Wir werden nicht in die Falle gehen, 
eine Freundschaft um einer neuen Freundschaft willen aufzugeben.“ 
Minister de Selves erklärt, daß er keine Verbindung zwischen 
den französisch-spanischen Verhandlungen und der Annahme des sondösisch-
	        
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