FKrantreich. (Dezember 14.) 445
deutschen Marokko-Abkommens erkenne, die übrigens die Besprechungen
nur erleichtern könne. Mehrere Mächte hätten bereits ihre Zustimmung
gegeben, und andere müßten sie noch ihrem Parlament unterbreiten. Der
Redner erklärt, daß er, sobald die Kammer den Antrag des Grafen de Mun
zurückgewiesen habe, Aufklärungen über die Verhandlungen mit Deutschland
geben werde. Der Minister verläßt hierauf die Tribüne, während die
Rechte, das Zentrum und die äußerste Linke lebhaft protestieren, und
unterhält sich mit dem Ministerpräsidenten Caillaux, worauf er die Tribüne
wieder besteigt. Der Minister gibt einen historischen Ueberblick über die
Verhandlungen mit Deutschland, erinnert sodann an die Entsendung
des „Panther“ und sagt, daß die französische Regierung in einem höheren
Interesse die Entsendung eines Kriegsschiffes nach Agadir verschoben habe.
Er habe nicht geglaubt, daß es angebracht gewesen wäre, eine Konferenz
einzuberufen. Deutschland habe übrigens deutlich erklärt, daß es den Zu-
sammentritt einer solchen Konferenz nicht annehmen und ihm nicht Rechnung
tragen würde. (Zurufe.) „Hören Sie mich ruhig an. Ich spreche von
ernsten Dingen. Man wußte, daß die Macht des Sultans eine fiktive war,
und daß Frankreich bestimmt war, sie zu stützen. Die Frage war von
Deutschland gestellt, man mußte sie lösen. Nachdem wir Deutschland wegen
der Entsendung eines Schiffes, die die Verhandlungen stören könnte, unser
Bedauern ausgesprochen hatten, haben wir die Verhandlungen begonnen.
Spanien nahm nicht daran teil, weil dann auch England hätte teilnehmen
müssen. Wir stellten für unsere Besprechungen drei Bedingungen. 1. Unsere
Freunde und Verbündete müßten auf dem laufenden gehalten werden.
2. Die Signatarmächte der Algecirasakte müßten damit befaßt werden.
3. Deutschland dürfte keinen Besitz in Marokko fordern."“ De Selves hebt
hervor, daß Marokko die Fortsetzung von Algerien sei, und fährt fort:
„Deutschland ließ wissen, daß seine öffentliche Meinung Kompensationen
forderte, wenn es unser Protektorat über Marokko annehmen würde. Deutsch-
land sagte: Ihr habt mit England, Italien,Spanien verhandelt, was
wollt ihr mit uns machen? (Zurufe.) Der deutsche Botschafter sagte
mir, daß man am Kongo eine Kompensation finden könne, dasselbe sagte
auch Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter zu unserem Botschafter Jules
Cambon. (Zuruf des Grafen de Mun: Hatte man vorher davon gesprochen?)
Es wurde Bedauern über die Langsamkeit der Verhandlungen geäußert.
Diese Langsamkeit bewies den Widerstand, den wir beständig den deutschen
Ansprüchen entgegengesetzt haben. Herr v. Kiderlen-Wächter erklärte Cambon
gegenüber, daß Deutschland bereit sei, in einen Tausch in Togo und in
Kamerun einzuwilligen; aber es fordere den Gabon und den Kongo zwischen
dem Ozean und dem Sangha. (Zurufe.) Wir erklärten, daß wir die
Verhandlungen auf dieser Grundlage nicht fortsetzen könnten. In diesem
Augenblick gab es eine Zeit der Spannung, die Sie in Erinnerung haben.
Man hat gesagt, daß uns unsere Freunde zum Streite trieben. Das ist
ein vollständiger Irrtum. Gewiß, unsere Freunde standen uns zur Seite,
dazu bereit, uns die Hilfe zu gewähren, welche die Umstände begründen
könnten. Aber in keinem Augenblick ließen sie ein aufreizendes Wort hören.
Die Worte der Versöhnung, die sie fanden, lagen im Interesse Frankreichs.
(Beifall.) Wir haben auf die Forderungen Deutschlands: „Nein!“ geant-
wortet. Als Deutschland seine Forderungen reduziert hatte, verlangte die
Regierung, daß von territorialen Abtretungen erst nach der Regelung der
marokkanischen Frage gesprochen würde. In diesem Angenblick wurde eine
Unterbrechung der Verhandlungen dadurch herbeigeführt, daß Staatssekretär
v. Kiderlen-Wächter auf Reisen ging und Botschafter Cambon nach Paris
kam. Bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen widerstand Frankreich