Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

458 I#ali#n. (März 27.—Tpril 6.) 
27. März. Bei der Fünfzigjahrfeier des Königreichs hält 
der König im Senatssaal auf dem Capitol eine Rede. 
Darin heißt es: „Italien mit Rom als Hauptstadt bedeutet das 
ruhige Bestehen der Kirche neben dem Staat, der der Religion 
ebenso wie der Wissenschaft volle fruchtbare Freiheit verbürgt. Dieses Werk 
unserer Bäter, der Befreier unseres Vaterlandes, erscheint nicht minder er- 
haben als das der beiden vorangehenden Zeitalter Roms. Mein verehrter 
verewigter Vater sagte in einer feierlichen Rede, daß unter den majestätischen 
Ueberresten der alten Größe die neue Größe uns nicht bescheiden erscheinen 
darf. Die alte war kraft des Geistes der Zeit universal, die neue ist der 
Ausdruck des Rechts; und wie jedes Recht, so ist das italienische Rom un- 
verletzlich.“ Die Rede schloß: „Italien, das sich der Unabhängigkeit des 
ganzen Volkes geweiht hat, wird seine eigene Unabhängigkeit zu wahren 
wissen, die das Erbe seiner ganzen alten und neuen Geschichte ist, und 
wird durch Werke des Friedens zum allgemeinen Fortschritt beitragen in 
stetigem Emporsteigen zu immer höheren Idealen. Es ist wie eine Vor- 
bedeutung, daß von so vielen Kaisern auf diesem weltgeschichtlichen Hügel 
einzig und allein das von dem ernsten Lichte der stoischen Tugend verklärte 
Bild des triumphierenden Marc Aurel stehen geblieben ist, dieses heilige 
Gnadenbild, der Kultus des sittlichen und des bürgerlichen Gesetzes, dem 
unser Vaterland treu bleiben will im festen Glauben an die Zukunft des 
Glückes und Ruhmes.“ 
2. April. (Rom.) Bei der Eröffnung der Deutschen Aus- 
stellung hält Fürst Bülow als Ehrenvorsitzender des deutschen 
Komitees für die „Internationale Kunstausstellung“ die Be- 
grüßungsrede. 
5. April. (Rom.) Ankunft des Deutschen Kronprinzenpaares. 
6. April. (Kammer.) Programmrede Giolittis. 
„Ich werde beantragen, daß auch diejenigen wahlberechtigt sein 
sollen, die der Militärpflicht genügt haben, und die, welche das 30. Lebens- 
jahr erreicht haben. Ich werde ferner Maßregeln vorschlagen, die den 
wahren Willen der Wähler gegenüber Fälschung, Bestechung und Gewalt- 
tätigkeit sicherstellt, und ebenso gesetzliche Bestimmungen für Entschädi- 
gungen an die Deputierten, damit das Land seine Vertreter auch aus 
den weniger Bemittelten wählen kann.“ Dann kündigte der Minister- 
präsident an, daß er die Verstaatlichung der Lebensversicherung 
in Vorschlag bringen werde derart, daß alle aus der Lebensversicherung 
rührenden Einnahmen der Kasse für die Alters- und Invaliditätsversorgung 
der Arbeiter überwiesen werden. Während demnach die sichere Garantie 
des Staates den Anlaß geben werde, die Vorsorge für die Zukunft in 
Form der Lebensversicherung zu vergrößern, würden die Versicherungs- 
beiträge der bessergestellten Klassen die Leistungen der Arbeiterversicherung 
erhöhen. „Die Lage unserer Finanzen ist gut und das Gleichgewicht des 
Budgets gesichert, aber eine Periode der Zurückhaltung in der Vermehrung 
der Ausgaben erscheint geboten, damit die normale Vermehrung unserer 
Einkünfte das Finanzsystem gegen jede unvorhergesehene Möglichkeit sichert 
und bedeutende finanzielle Reformen möglich macht, die die Lage der klei- 
neren Steuerzahler verbessern sollen. Die Leitung unserer auswärtigen 
Politik wird den traditionellen Weg der absoluten Bündnistreue und der 
größten Herzlichkeit in der Freundschaft mit allen Mächten fortsetzen. Sie 
wird dauernd an der Aufrechterhaltung des Friedens mitarbeiten sowie an
	        
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