Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

Belzien. (November 14.—30.) 479 
sei und daß das „Journal de Débats“ und die „Times“ Recht gehabt 
hätten, als sie die Anschläge Deutschlands auf den belgischen Kongo ent- 
hüllten. Selbst Blätter, die möglichst ihre Ruhe zu bewahren suchen, wie 
die radikale „Gazette", verhehlen sich nicht, daß Belgien Befürchtungen 
hinsichtlich seiner Kolonie hegen muß. 
14. November. (Brüssel.) Urteil im Prozeß der Prinzesfin 
Luise von Koburg. 
In der Klage der Prinzessin Luise von Koburg, Tochter des ver- 
storbenen Königs Leopold 1I. von Belgien, gegen den belgischen Staat, die 
Testamentsvollstrecker des verstorbenen Königs und gegen die von diesen 
gemachten Vermögensstiftungen auf Herausgabe eines etwa 20 Millionen 
betragenden Teiles der durch Testament vermachten Hinterlassenschaft von 
etwa 60 Millionen wurde die Klägerin mit ihren sämtlichen Ansprüchen 
abgewiesen. Die Familienstiftung Niederfullbach bei Koburg wird für 
anngesetzlich erklärt uud aufgelöst. Ihr Vermögen fällt an die Erbschafts- 
masse zurück und gehört also in das Erbteil der drei Töchter. Nur in 
diesem Punkte hat die Prinzessin Luise einen Erfolg errungen. Die Kosten 
werden mit je ein Fünfzigstel den einzelnen Beklagten, der Rest der Klägerin 
auferlegt. Die Urteisbegründung gestaltete sich zu einem glänzenden Ehren- 
zeugnis des Gerichts für das Lebenswerk des verstorbenen Königs, der 
mit seiner Kongogründung nur das einzige Ziel verfolgt habe, die Macht 
und den Reichtum Belgiens und seines Volkes zu vermehren und dessen 
Testament und Vermögensbestimmungen in diesem Sinne abgefaßt und 
rechtsbeständig seien. 
23. November. (Kammer.) Militärdebatte. 
Der Abg. Monville behauptete, daß tatsächlich für die Armee nicht 
mehr Patronen vorhanden seien, als jeder Mann mit sich tragen könnte. 
Seien diese bei einer Invasion einmal verschossen, so bleibe der belgischen 
Armee nichts weiter übrig, als sich ohne jeden Widerstand nach Antwerpen 
zurückzuziehen. Eine Reserve von Patronen sei nicht vorhanden. Für die 
Artillerie fehle es in demselben Maße an Geschossen und Zündern. Für 
diese Munition sei man von Krupp abhängig, da man in Belgien die 
mißlungenen Versuche, sie zu fabrizieren, aufgegeben habe. Es fehle ebenso 
an Bespannungspferden, obwohl für Deutschland beständig Pferdematerial 
in Belgien aufgekauft werde, und aus den Festungen habe man erst in den 
letzten Stunden der drohenden Krisis umhergeschickt, um für 10.000 Frank 
Stacheldraht für die Verschanzungen aufzutreiben. Genau so stünde es mit 
der Bereitschaft auf allen anderen Gebieten. Der Kriegsminister ver- 
weigerte die Antwort auf die Frage, ob diese Angaben zutreffend seien, 
mit der Begründung, sie beruhten auf Indiskretionen, und der Interpellant 
möge erst seine Quellen nennen. Auf Anfrage des Interpellanten, ob der 
Ministerpräsident während seines Besuches in Paris vom französischen 
Ministerpräsidenten Caillaux informiert worden wäre, antwortete der 
Ministerpräsident, er habe nicht nötig, sich in Paris etwas suggerieren 
zu lassen. 
30. November. (Kammer.) Erklärung der Regierung über 
die Maasbefestigungen. 
Der Ministerpräsident protestierte dagegen, daß man die Instand- 
setzung der Maasbefestigungen im August und September als eine gegen 
Deutschland gerichtete Maßnahme hingestellt habe. Es sei ferner eine Lüge, 
daß 150 000 englische Soldaten in Belgien hätten gelandet werden sollen. 
  
 
	        
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