Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

480 Helsien. (Dezember 7.—31.) 
Ebenso sei es eine Illusion, daß er bei seinem Besuche in Paris Kenntnis 
von geheimen Abmachungen zwischen England und Frankreich bekommen 
habe, und daß deshalb die Maasbefestigungen mobilisiert worden seien. 
200000 Mann hätten genügt, um im Notfalle die Grenze zu verteidigen. 
Die Befestigungsarbeiten von Antwerpen würden beschleunigt werden. Die 
belgische Regierung habe volles Vertrauen zu den Verträgen ihrer Nachbarn. 
7. Dezember. (Kammer.) Debatte über die Kongoverwaltung. 
Die Frage der Einsetzung einer Untersuchungskommission wird weiterer 
Beratung vorbehalten. Die Majorität lehnte das Tadelsvotum für den Kolonial- 
minister ab, nahm dagegen eine Tagesordnung Woeste an, die die Anklagen 
gegen die Kolonialverwaltung zurückweist, aber den Wunsch nach Reformen 
ausspricht. Von den Kongoanleihen von 1901 und 1904 fehlt der Nachweis 
über 57 Millionen Franks, während sich 46 Millionen widerrechtlich in der 
Koburger Stiftung befanden. 
19. Dezember. (Kammer.) Debatte über die Marokkofrage. 
Der Minister des Aeußern Davignon erklärte, Belgien werde 
dem deutsch -französischen Abkommen beitreten, wenn die anderen Länder 
ihre Zustimmung gegeben hätten. Artikel 16, betreffend den belgischen Kongo, 
sei der belgischen Regierung nicht vorher mitgeteilt worden; er ändere auch 
nichts an der internationalen Lage Belgiens. Das Vorkaufsrecht auf den 
Kongo könne nicht zediert werden. Annexionsgelüste auf den Kongo be- 
ständen nirgends. Das hätten die diplomatischen Vertreter Deutschlands 
und Frankreichs ausdrücklich bestätigt. 
19. Dezember. (Senat.) Interpellation über die Landes- 
verteidigung. 
Die Interpellation wurde begründet von dem Senator Hanrez, 
der erklärte, daß in diesem Sommer der Effektiostand des belgischen Heeres 
von 180 000 Mann nicht habe erreicht werden können, und daß die Maas- 
befestigungen nicht in Stand gewesen seien. Im Falle eines deutsch- 
französischen Konfliktes sei Belgien genötigt, sich für die eine oder die andere 
der beiden Nationen zu erklären. Wenn man absolutes Vertrauen zu den 
Verträgen hätte, dann sei es nicht notwendig, für die Erhaltung eines 
Heeres 80 Millionen Frank pro Jahr auszugeben. Kriegsminister 
General Hellebaut antwortete, indem er sich auf die Erklärung bezog, 
die er vor einigen Wochen in der Kammer abgegeben hat. Er sagte, man 
befinde sich in einem Uebergangsstadium. Er sei ein Anhänger der Er- 
höhung des Effektivstandes, wenn diese ohne eine Verkürzung der Dienstzeit 
hätte erreicht werden können. Er sei auch ein Anhänger der allgemeinen 
Wehrpflicht. Aber vorerst könne er nichts anderes tun, als sich auf das 
Militärgesetz von 1909 stützen, dessen Wirkung abgewartet werden müsse. 
Im Sommer häue man alles Erforderliche getan, um eventuell die Landes- 
grenzen zu schützen. 
31. Dezember. Volkszählung und Abgeordnetenzahl. 
Der belgische Staatsanzeiger veröffentlicht das Ergebnis der Volks- 
zählung vom 1. Januar 1910. Danach hatte an diesem Tage Belgien 
7423 748 staatsangehörige Einwohner. Das bedeutet in dem Jahrzent 
von 1900 bis 1910 eine Zunahme um 10 v. H. Auf Grund dieses Er- 
gebnisses wird die Regierung der Kammer vorschlagen, die Anzahl der 
Kammersitze um achtzehn zu erhöhen, davon entfallen auf die Stadt Brüssel 
vier Sitze.
	        
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