Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

Rußland. (März 1.—15.) 493 
67, in Moskau 75, auf den Universitäten Charkow, Noworossisk, Kiew und 
Warschau insgesamt 148 Studierende relegiert. 
1. März. Eine kaiserliche Urkunde bestätigt den Daschi Dorschi 
Igitelow als Großlama der lamaitischen Geistlichkeit in Ostfibirien. 
4. März. Jubiläum der Bauernbefreiung. 
Vor dem Duma-Gebäude wird ein Denkmal Alexanders II. enthüllt, 
das fünf bäuerliche Duma-Mitglieder errichtet hatten. In den Kirchen fanden 
Gottesdienste statt. Aber in den Zeitungen überwiegen pessimistisch gefärbte 
Betrachtungen der Gegenwart. 
6. März. (Duma.) Beginn der Beratung des Staatsbudgets. 
Die Vorlage des Finanzministers sieht einen Ueberschuß von 11376384 
Rubel vor. Nach dem Bericht der Budgetkommission balanzieren die Ge- 
samteinnahmen und Ausgaben mit 2712100000 Rubel, wobei die Ein- 
nahmen die Ausgaben um 43 1400000 Rubel übersteigen. Die Kommission 
schlägt vor, den Ueberschuß zur Tilgung der Staatsschulden zu verwenden. 
7. März. An Stelle des zur Verfügung des Kriegsministers 
gestellten Generalleutnants Gerngroß wird der Kommandeur des 
10. Armeekorps Generalleutnant Schilinski zum Chef des General- 
stabes ernannt. 
11. März. An Stelle des verstorbenen Generalleutnants 
Baron Taube ist Generaladjutant Mitschenko zum Hetman der 
Donkosaken ernannt worden. 
15. März. (Duma.) Anklage des Kadettenführers Miljukow 
gegen die neuen Leiter der auswärtigen Politik. 
Das von Iswolski verteidigte System der russischen Bündnisse und 
Abkommen ist in seinen Grundlagen erschüttert, die auswärtige Lage ist 
gegenwärtig geradezu bedrohlich. — Die Vertreter des Ministeriums des 
Aeußern verlassen den Saal. — Redner fährt fort: Die Uebertragung der 
türkischen Schuld an Bulgarien kostete die russischen Steuerzahler 20 Mil- 
lionen Rubel, die angeblich zur Stärkung der Sympathien Bulgariens für 
Rußland dienten. Wünsche man zu wissen, wie Bulgarien dafür danke, so 
gebe darauf die Antwort der jüngste Besuch des Königs Ferdinand in Wien. 
Ganz abgesehen von der Zweckmäßigkeit des gebrachten Opfers frage es sich, 
wer für dasselbe verantwortlich sei. Das Ministerium des Auswärtigen 
sage, die Opfer auf allerhöchste Weisung gebracht zu haben; doch sei in 
den Staatsgrundgesetzen eine derartige Ordnung nicht vorgesehen. Daher 
müsse man auf die Gefahren solcher unverantwortlichen Handlungen hin- 
weisen. Trotz der erst kurzen Amtstätigkeit des Ministers des Aeußern. 
Ssasanow sei bereits der Abgang des ehemaligen Ministers Iswolski zu 
bedauern. Redner geht dann auf die Potsdamer Entrevue über. Nach 
der Einverleibung Bosniens sei Deutschland, der Freund Oesterreichs, als 
neuer Freund Rußlands erschienen, den Bismarkschen Traditionen folgend. 
Die Potsdamer Entrevue sei ein radikaler Umschwung in der russischen 
Politik; nach der Entrevue hätten die russischen Bündnisse ihre aggressive 
Bedeutung verloren und die Beziehungen Rußlands zu seinen enttäuschten 
Verbündeten an Festigkeit eingebüßt. Auf russischer Seite seien in der 
Bagdadbahnfrage die früheren langandauernden Verhandlungen zwischen 
den beteiligten Mächten vergessen und die Interessen der Verbündeten Ruß-
	        
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