508 Cũrkei. (April 21.—27.)
„Die Pforte verfolgt nur die Beachtung und Vollstreckung der Ver-
einbarungen zwischen der Türkei und den Mächten. Danach sollen Kreta
eine autonome Verwaltung unter der Souveränität des Sultans verliehen
und die Rechte der Mohammedaner geschützt werden. Kreta muß aus dem
Depot der Mächte unter die Verwaltung der Pforte zurückkehren; die Ein-
mischung Griechenlands muß aufhören. Doch ist die Regelung der Frage
nicht gewaltsam, sondern nur durch ein Einvernehmen mit den vier Mächten
möglich., Das Kabinett kann in der Frage nicht mehr tun, als es ge-
tan hat.
ên Der Abg. Basri Bei fordert Freundschaft mit Bulgarien und warnt
vor dem Pangermanismus. „Wir schätzen“, bemerkt er, „die Deutschen, aber
wir dürfen nicht in den Dreibund eintreten. Wenn wir uns mit Frankreich
und Rußland halten, kann England uns nichts anhaben.“
21. April. Aus der jungtürkischen Partei scheidet sich mehr
als die Hälfte der parlamentarischen Mitglieder als „Diffidenten“ aus.
22. April. Umbildung der jungtürkischen Partei.
Nachdem 30 Abgeordnete der jungtürkischen Partei und 80 „Dissi-
denten“ getrennt verhandelt hatten, treten sie zu einer neunstündigen Sitzung
zusammen und nehmen im wesentlichen die Forderungen der „Dissidenten“,
insbesondere auf Stärkung des Kalifats, in das offizielle Parteiprogramm
auf. Damit ist das Uebergewicht des Geheimbundes entschieden, der im
Hause des Obersten Sadik tagt.
24. April. Alle Freimaurerlogen werden polizeilich geschlossen.
W. April. (Jerusalem.) Straßenkundgebungen wegen eines
Reliquiendiebstahls in der Omarmoschee.
Die von dem Engländer Parker geleitete archäologische Expedition
versuchte, da ihr an der den Mohammedanern heiligen Stelle des alten
jüdischen Tempels Ausgrabungen nicht gestattet wurden, vom Siloah--Teich
aus durch einen unterirdischen Gang in die Omarmoschee einzudringen.
Da dies mißlang, erwerben die Engländer durch Bestechung der Wächter
einige heilig gehaltene Handschriften, die angeblich auf die Salomonischen
Zeiten zurückgehen. Durch Telegramme an den Großwesir und Scheich ül
Islam verlangen die erregten Mohammedaner die Wiederherbeischaffung
der Reliquien und strenge Bestrafung der Räuber.
25. April. Oberst Sadik folgt dem Befehle des Kriegs-
ministeriums, in Saloniki seine weitere Verwendung abzuwarten.
W. April. (Kammer.) Erklärungen des auswärtigen Ministers
Rifaat Pascha über die politische Lage.
Nach den Informationen der Pforte seien die deutsch-russischen
Verhandlungen noch nicht beendet, und es sei zu erwarten, daß Deutsch-
land und Rußland, welche Freunde der Türkei seien, diese von ihren etwaigen
Beschlüssen über Persien, dessen Unabhängigkeit und Integrität für die
Türkei sehr wichtig seien, verständigen werden. Schließlich erklärt der
Großwesir, die Pforte wolle in Tripolis behalten, was unter ihrer direkten
Verwaltung steht. Darüber hinauszugehen, wäre eine Eroberungspolitik,
die einen Konflikt mit Frankreich heraufbeschwören könnte. Daran denke
niemand. Das Wadaigebiet sei kein türkisches Territorium.
27. April. Sultan Mohammed V. begnadigt am zweiten Jahres-