Türkei. (September 29.—Oktober 2.) 513
Interessen Italiens in Tripolitanien zu verhandeln, unter der Voraus-
setzung, daß der heutige status quo beibehalten werde und eine Okkupation
nicht erfolge.
29. September. (Tripolis.) Die Aufforderung des als
Parlamentär gelandeten italienischen Schiffsleutnants Graf Lovatelli,
die Stadt Tripolis zu übergeben, wird von den Behörden zurück-
gewiesen.
29. September. Das Ministerium gibt nach der Kriegs-
erklärung Italiens seine Entlafsung. In dem neuen Ministerium
Said Paschas bleibt Mahmud Schefket Pascha Kriegsminister. Der
ehemalige Großwefir Kiamil wird Minister des Außeren.
30. September. Ein italienisches Geschwader, bestehend aus
2 Panzerschiffen und 6 Torpedos, trifft vor dem Hafen Prevesa
(Albanien) zwei türkische Torpedoboote, von denen eins beim
Flüchten ans Land scheitert und in Brand gesteckt wird, das andere
aber entkommt.
30. September. Appell an die Mächte.
Die Zirkularnote hat folgenden Wortlaut: „Trotz der überaus
kurzen, von Italien in dem Ultimatum festgesetzten Frist von 24 Stunden
hatten wir uns beeilt, lange vor ihrem Ablauf zu antworten, daß die
italienische Regierung nicht nötig habe, zu einer militärischen Besetzung zu
schreiten, um von uns in Tripolis und in Cyrenaika Bürgschaften wegen
einer wirtschaftlichen Ansdehnung für sich zu erlangen. Wir erklärten uns
bereit, diese Bürgschaften zu gewähren, soweit sie unsere territoriale Integrität
nicht verletzten, wobei wir die Verpflichtung übernahmen, während der Ver-
handlungen unsere militärische Lage in den genannten Provinzen nicht zu
verändern. Ohne auf dieses versöhnliche Anerbieten auch nur zu antworten,
schickt uns die italienische Regierung, zu derselben Zeit, da sie ihre Flotte
aussendet und vor Ablauf der Frist eines unserer Torpedoboote in den
Gewässern des Adriatischen Meeres angreifen läßt, eine förmliche Kriegs-
erklärung. Peinlich überrascht von dieser unerwarteten Feindseligkeit, die
durch unsere Haltung gegen Italien keineswegs gerechtfertigt wird, wollen
wir glauben, daß es noch Zeit ist, angesichts der versöhnlichen Stimmung,
von der wir beseelt sind, die unheilvollen Wirkungen eines Krieges, der
keine tatsächliche Ursache hat, aufzuhalten. Wir wenden uns deshalb an
die friedlichen und menschlichen Gesinnungen sowie an die Freundschaft der
p. t. Regierung, damit sie bei Italien Einspruch erhebe und es von unserem
aufrichtigen Wunsche überzeuge, mit ihm zu verhandeln, um einem unnützen
Blutvergießen vorzubeugen.“
30. September. (Tripolis.) Das italienische Geschwader
von 12 Kriegsschiffen eröffnet um 10½ Uhr morgens das Feuer
auf die Forts der Stadt.
2. Oktober. (Kleinkrieg.) Der türkische Dampfer „Derna“
wird im Hafen von Tripolis in den Grund gebohrt. Beschlagnahme
des Kabels Tripolis— Malta durch die Italiener, Zerstörung der
Funkenstation in Derna.
Europäischer Geschichtskalender. I.II. 33