530 Serbien. (Mai 24.—Dezember 11.)
24. Mai. (Skupschtina.) Das Apanagegesetz für die Kinder
des Königs wird in zweiter Lesung ohne Debatte angenommen.
7. Juni. Der Grenzstreit mit der Türkei wird durch Vertrag
dem Haager Schiedsgericht unterbreitet.
30. Juni. Rücktritt des Kabinetts Paschitsch wegen Meinungs-
verschiedenheiten über eine in Frankreich aufzunehmende Anleihe.
7. Juli. Das Ministerium Milowanowitsch (altradikal).
Präsidium und Aeußeres Milowanowitsch, Inneres Trifkowitsch,
Finanzen Stojan Protitsch, Krieg General Stepanowitsch, Justiz Professor
Dr. Arandjelowitsch, Kultus Liuba Jowanowitsch, Bauten Ilitsch, Ackerbau
und Handel Kapetanowitsch.
10.—15. Juli. (Belgrad.) Zehnter allslawischer Journalisten-
Kongreß.
Zum erstenmal nehmen sämtliche slawische Nationen teil. In der
Presseausstellung sind gegen 10000 flawische Zeitungen und Zeitschriften
ausgelegt. Beim Abschiedsbankett fühlten sich die Russen durch die den
Polen erwiesene Aufmerksamkeit so schwer beleidigt, daß sie durch eine be-
sondere, für sie ausschließlich veranstaltete Festlichkeit besänftigt werden mußten.
6. September. (Belgrad.) Rückkehr des Königs und des
Kronprinzen aus Rußland von der Hochzeitsfeier der Prinzessin
Helene (s. Rußland 83. September).
30. Oktober. Ergebnisse der Volkszählung.
Die Einwohnerzahl beträgt 2922058 Seelen, d. i. 197199 mehr
als 1905.
11. Dezember. (Skupschtina.) Rede des Ministerpräsidenten
Dr. Milowanowitsch über Serbiens politische Haltung.
Serbien wolle vor allem seine völlige Unabhängigkeit wahren
und an dem Fortschritt des serbischen Stammes mitwirken, ohne hierbei
die Rücksicht auf die internationalen Pflichten zu vergessen. Die Beziehungen
unter den Balkanstaaten seien auf dem Wege der Klärung und der Besserung.
Serbien sei nicht in der Weise an Rußland und die Tripleentente gebunden,
wie man dies behaupte, noch weniger könne es sich gegenüber Oesterreich-
Ungarn und dem Dreibunde binden. Beide Mächtegruppen hätten viel
wichtigere Probleme als das des Balkans zu lösen. Demnach suche keine
von ihnen, die Balkanstaaten als Mitglieder zu gewinnen. Immerhin sei
das Serbien von den Mächten entgegengebrachte Interesse so groß, daß
es den radikalen Regierungen gelungen sei, die wesentlichen Bedürfnisse
Serbiens in die allgemeinen Ziele Europas einzuflechten und die Frage
des Fortbestandes Serbiens in die wichtigen Punkte der Programme der
einzelnen Großmächte einzufügen. Durch die Verteidigung seiner Selbständig-
keit müsse Serbien ein verläßliches Element des europäischen Gleichgewichts
im Osten Europas sein und den Bedürfnissen der Zivilisation entsprechen.
Die Formel „der Balkan den Balkanstaaten“ sei von der Mehrzahl der Groß-
mächte, auch von Rußland, als Grundsatz aufgestellt und werde schließlich
obsiegen, da sie am besten die gegensätzlichen Interessen ausgleiche. Serbien
habe im Laufe der letzten Jahre auf allen Gebieten des Staatslebens seine
Lebenskraft und Staatskultur derartig bewiesen, daß ein Vorstoß gegen
Serbien ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit bedeuten würde. Der