Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

622 Nebersicht über die polltische Entwichelung des Jahres 1911. 
reden!“ (S. 422 f.). Die englische Presse war am eifrigsten, die 
„europäische Sensation"“, den „Blitzstrahl aus heiterem Himmel“ 
ihren Lesern zu Gemüte zu führen (S. 350—52). Die Episode 
hätte, wenn keine Komplikationen dazwischen getreten wären, als 
abgeschlossen gelten können, alt am 9. Juli M. Cambon und 
v. Kiderlen-Wächter ihre „Besprechungen“ in Berlin wieder auf- 
nahmen. Aber ehe die Initiative zur Wiederaufnahme der Ver- 
handlungen von Frankreich ergriffen war, kündigte sich schon ein 
störender Einfluß in London an. 
Am 4. Juli fand eine Unterredung des englischen Staals- 
sekretärs Sir Edward Grey mit dem deutschen Botschafter Grafen 
Wolf-Metternich statt. Grey betonte, daß nach englischer Auf- 
fassung durch die angekündigte Absicht Deutschlands, eine definitive 
Lösung der ganzen marokkanischen Frage herbeizuführen, und durch 
die Entsendung des „Panther“ eine neue Situation geschaffen sei, 
in der die britischen Interessen vielleicht direkter berührt werden 
als vorher (S. 380). Von den Beratungen des Ministeriums am 
selben Abend machte am 6. Juli eine Zeitung eine Mitteilung, in 
der für die ganze Küste von Marokko der deutschen Politik das 
ominöse „Hands off“ zugerufen wurde (S. 133, 3852). Dem Unter- 
haus kündigten an demselben Abend der Premierminister Asquith 
und Sir Edward Grey ihre Entschlossenheit an, auf den Schutz 
der englischen Interessen und die Vertragsverpflichtungen gegenüber 
Frankreich bedacht zu sein. Schon am 8. Juli fand es die mini- 
sterielle „Westminster Gazette“ nötig, zu versichern, „daß England 
nicht französischer sein wird als Frankreich“ (S. 353). 
Obwohl sich die beiden Unterhändler in Berlin gegenseitig 
Verschwiegenheit über ihre vertraulichen „Unterhaltungen“ zugesichert 
hatten, brachte der „Matin“ am 19. Juli eine zutreffende Mit- 
teilung über die erste Kompensationsforderung Deutschlands. — 
Der Wunsch ging damals auf die Kongoküste mit Libreville, so daß 
Frankreich nur den größten Teil des Hinterlandes ohne einen 
Zoll Meeresküste behalten hätte (S. 427). Daß diese Forderung 
in der französischen Presse als „unannehmbar“ bezeichnet wurde, 
verstand sich ebenso von selbst wie die Spielregel des Handels, 
zunächst immer mehr zu fordern, als man schließlich zu akzeptieren
	        
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