Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtundzwanzigster Jahrgang. 1912. (53)

Des Dertsqe Rriq und frine einzelurn Glieder. (Dezember 2.) 251 
Diplomatie schlecht zu machen. Wir erkennen an, daß wir hervorragende 
Diplomaten und gute Leistungen haben, ober wir sind überzeugt, daß wir 
nicht überall gut, # clveige wen glänzend vertreten sind. Wir erkennen 
an, daß auch der Adel in der Diplomatie Hervorragendes geleistet det 
Aber wir wollen den **b53 dieser Karriere verbreitern. Nicht jede 
Hrentneben, wie Herr v. Niderlen einmal gesagt hat, wollen wir hn 
iplomaten machen, wir wollen aber die Dechen beseen bezahlen und da- 
durch den Zugang verbreitern und wir verlangen, daß vie diplomatische 
Karriere auch dem Bürgertum mehr geöfinet wird. (Zustimmung I.) Unsere 
Sibwed war über die Rüstungen nicht genugend' insormiert. Der 
Ausbruch des Krieges kam Überraschend und stand nicht im Einklang mit 
manchen Insormationen, die darauf abzielien, es würde unter keinen Um- 
ständen ein Balkankrieg entstchen. Gegenüber den starken Veränderungen 
der Landkarte, die sich jett vollsiehen, können sich für die deutschen wirl · 
schaftlichen Intereisen manche Unbeauemlichleiten ergeben. Der wirftschaft. 
lichen Ma achl pflegt in nicht der Kultur wousläni erschlossenen Ländern 
die politische Macht zu folgen. Wenn in den Verträgen die offene Tür 
verbürgt wird, so hilft das bekanntlich nicht viel, weil diese ossene Tür 
lehr oft ein Sma Papier ohne weitere Bedeutung bleibt. Man könnte 
sagen, andere Länder erhalten einen territorialen Machzuwachs. für Deutsch- 
land geht die Sache aus in Gestalt einer Militärvorlage. (Heiterkeit und 
Zustimmung.) Wenn der Abg. Ledebour von alldeutschen Kriegehetzern, 
Kononen- und Panzerplattenenihnsiasten und einteressenten geiprochen hat, 
so halle ich seinen Gedankengang für falsch. Es lich mancherlei Miß- 
stimmung in deutschen Schichten vor, die von glühendem Patriotismus er- 
füllt find. Früher waren es deutiche Prosessoren und Nratäs. die eine 
Stärkung der demischen Nationalwehr estebte Gewiß finden d60 darunter 
auch dterriemen. aber der große Teil der Vereine gehört zu den hervor- 
ragenden n Schichten unseres Volkes. (Zustimmung.) Wenn die Militärvereine. 
Floltenvereine# wis auch vielleicht elwas überschwänglich vorgeben und in 
manchem über das Ziel hinausschießen, so kann man doch ihre Bestrebungen 
an sich nicht tadeln. Dieje Vereine jchũtzen uns vor einer gewissen Passivität, 
vor einer starken Verburcaukratisierung. Schliehlich noch eine Bemerkung 
im Auftrage meiner Fraktion. Wir können cs als einen beiriedigenden 
Zustand nicht erkennen, wenn in Fragen der auswärtigen Politik keine ge- 
ngede Fühlung zwi ischen der Regierung und der Volksvertretung vor- 
iän ist. (Zustimmung l.) Ohne dieie Fũhlung wächst natürlich die 
Heenone der Negierungi in ungencin großem Umfange. Die Regierung 
-ann doch mit viel größerer Ruhe ihre Politik verfolgen, wenn sie getragen 
ist von der bewegenden Krast der Nation und der Volksvertreiung. Ein 
Volk, das auf industriellem Gebiete, in Handel und Landwirtschaft so viel 
erreicht hat, darf auch in der Frage der auswärtigen Politik ein Wort mit- 
sprechen. Nach der Aussasfung meiner volitischen Freunde ist es kein er- 
kreulicher Zustand, wenn wir auf die Mineilungen der „Norddeutschen All- 
gemeinen Beitung“ in diesen Fragen angewieien sind. Ich kann nur das 
unterschreiben, was am un. März 11XM Freiherr v. Herkling dier in diciem 
Hause zu demselben Wuniche geäuseert hat. Die verautwortlichen Minister 
der anderen Sloalen scheuen sich weniger, als es bei uns der Fall ist, ge- 
rade über die boufenden Fragen der auswärtigen Politik zu iprechen. Ich 
brauche Sie bloß auf das englische, das französische und auf das oster- 
reichische Voarlantmn, hine Gerade weil wir bestrebt sein muisen, 
einig zu gers in diejen großen vitalen Fragen mit der Regiernng, müssen 
wir auch die Richtlinicn der Regiernngepolitik kennen. . Durchführung 
einer kraftvollen Politik bedürsen wir der Aufrechterhollung einer starlen
	        
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